Artefakt
Vorsorglich.« Er atmete tief durch. »Der Umgang mit ihr ist … nicht leicht, wie Sie heute Nachmittag selbst erfahren werden. Um ganz ehrlich zu sein: Ich bin froh, dass ich in zwei Wochen abberufen werde. Ich habe dem Kuratorium dringend geraten, eine Frau als Nachfolgerin für mich auszuwählen. Frauen haben es hier leichter.«
»Die Erste Mutter erwartet uns?«, fragte Rahil erstaunt.
»In drei Stunden«, sagte Ellworth und zog erneut am Kragen der Jacke. Seine Stirn war völlig trocken, im Gegensatz zu der von Thresa.
»Wir sollten sofort aufbrechen. Mit einem Atmosphärenwagen, der nicht der Interdiktion unterliegt.«
Ellworth nickte. »Es steht einer für Sie bereit. Aber ich fürchte, Sie werden einen Passagier mitnehmen müssen. Die Erste Mutter hat sich nicht ganz klar ausgedrückt, doch nach sieben Jahren kenne ich sie gut genug. Ich nehme an, sie will Ihnen eine Aufpasserin mitgeben.«
»Ich hatte gehofft, dass Sie uns dabei helfen können, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, zumindest die bürokratischen«, sagte Rahil mit der neutralen Bestimmtheit, die ihm Femtomaschinen und Rüstung gaben. »Zusätzliche Probleme habe ich gewiss nicht erwartet.«
»Es tut mir leid, Missionar Tennerit. Die Ägide ist verpflichtet, die territorialen Hoheitsrechte des Nationalstaats Munraha zu respektieren, und das Artefakt befindet sich auf munrahanischem Boden.« Glockenschläge hallten durchs offene Fenster. Ellworth blickte kurz nach draußen und beugte sich dann ein wenig vor. »Die Krise hat begonnen. Die ersten Nationalstaaten von Heraklon – unter ihnen Applonia, Borreta, Dappvala, Hantronia und Munraha – haben die Bedeutung des Artefakts erkannt und beabsichtigen offenbar, es als Faustpfand gegen Bruch-Gemeinschaft und Ägide zu verwenden.«
»Was ist ein Faustpfand?«, fragte Thresa und hob erneut den Stoffstreifen zu ihrem Gesicht. Es schien ihr nicht besonders gut zu gehen, und Rahil fragte sich, ob sie, im Gegensatz zu ihm, auf einen primären, nicht der Interdiktion unterliegenden Mikrogravitator verzichtet hatte.
»Sie wissen, dass sich die Ägide für das Artefakt interessiert«, erklärte der Botschafter. »Und sie haben erfahren, dass es auch einige Gefallene Welten darauf abgesehen haben. Sie wollen es einsetzen, um Druck auszuüben und mehr moderne Technik von der Bruch-Gemeinschaft und Ägide zu fordern.«
»Der Zank geht los«, kommentierte Rahil.
»Ja. Das Kuratorium musste die Erste Mutter von Ihrer Mission informieren, und sie will diese Situation zu ihrem Vorteil nutzen. Sind Sie mit dem hiesigen Matriarchat vertraut, Missionar?«
»Ich verfüge über die notwendigen Informationen«, erwiderte Rahil und meinte die Daten in den Speichern der zerebralen Schaltkreise.
»Auf einer rein theoretischen Basis, nehme ich an.« Ellworth lehnte sich wieder zurück. »Sie sind der Leiter dieser Mission, aber wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf: Erwecken Sie der Ersten Mutter gegenüber den Eindruck, als hätte Thresa alles in der Hand.«
»Damit habe ich kein Problem«, sagte Rahil, obwohl er sehr wohl ein Problem damit hatte.
»Gut. Wenn ich Ihnen sonst irgendwie behilflich sein kann …«
»Vielleicht«, sagte Rahil. »Cuaresma, Gesandter der Unionskonferenz, wies auf die Existenz einer geheimen Organisation hin, die auf Heraklon tätig sein soll und der Mittelsmänner der Gefallenen Welten angehören. Das Dutzend ist angeblich ebenfalls beteiligt.«
»Soweit wir wissen, spielt das Dutzend sogar die maßgebliche Rolle, Missionar Tennerit. Die Fädenzieher stammen von den Trabanten des Gasriesen Cambronne. Wir nehmen an, dass an den letzten nach Norden aufgebrochenen Expeditionen auch Agenten der Gefallenen Welten beteiligt sind.«
»Namen können Sie keine nennen?«, fragte Rahil und spürte trotz der emotionalen Kontrolle eine Unruhe, die zwar vage blieb, deren Wurzeln er aber gut kannte.
»Ich verstehe Sie, Missionar Tennerit«, sagte Ellworth langsam. »Ich weiß, was Sie meinen. Nein, Namen kann ich Ihnen leider nicht nennen. Nichts deutet auf eine direkte Beteiligung der Tennerits von Caina hin.« Er zögerte kurz. »Ich nehme an, Sie wissen von dem Krieg, zu dem es vor knapp hundert Jahren im Dutzend kam.«
»Ich weiß, dass ein Krieg stattfand, aber Einzelheiten sind mir nicht bekannt. Damals, als ich zur Ägide kam, habe ich einen Schlussstrich unter meine Vergangenheit gezogen.«
»Auch das verstehe ich, Missionar. Wenn es Ihnen weiterhilft … und wenn es Sie
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