Artefakt
Wiederherstellung. Ein Missionar, der in einer Station der Ägide erwacht. Wie könnte er da Verdacht schöpfen? Aber mit der Rüstung stimmte etwas nicht. Ich habe sie später untersucht, und dabei stellte sich heraus, dass sie manipuliert war.«
»Ebenso wie deine Femtomaschinen, mein Junge. Wir wollten nichts dem Zufall überlassen, und wenn uns die Ägide etwas mehr Zeit gelassen hätte, wärst du auf direktem Weg nach Heraklon gekommen.«
Funktionieren sie deshalb nicht?, dachte Rahil. Obwohl es hier keine Interdiktion gibt? Er versuchte, seinen Femtomaschinen eine Anweisung zu übermitteln, und irgendwo in ihm reagierte etwas, schwach und leise.
»Stattdessen sind Sie, aus welchen Gründen auch immer, nach Kedra geflogen«, sagte Joyce.
»Aus welchen Gründen auch immer?«, wiederholte Rahil ver wirrt. »Ich war auf dem Weg nach Heraklon, aber im M-Raum begegnete mein Shifter einem Schiff der Hohen Mächte, das einen Disruptor gegen uns einsetzte. Für die Unterbrechung des Flugs boten sich drei Ziele an, und ich wählte Kedra. Weil ich dort jemanden kannte. Eine Frau namens Lucrezia.«
»Oh, jetzt erinnere ich mich«, sagte Coltan. »Die Frau, deren Ermordung man dir zur Last legte.« Bei ihm klang es nach einem unwichtigen Detail. »Aber das Schiff der Hohen Mächte …« Sein Blick ging kurz zu Joyce. »Wissen wir etwas davon?«
»Nein, Sire«, erwiderte der Mann von der Ägide. »Davon höre ich jetzt zum ersten Mal.«
»Das ist interessant.« Rahil erlaubte sich ein kurzes Lächeln. »Es gibt also einen Faktor, der Einfluss auf eure Pläne nimmt und von dem ihr bisher gar nichts gewusst habt.«
»Der Gesserat?«, spekulierte Joyce.
»Wir sind da, Sire«, ertönte die Stimme des Piloten aus der Kanzel. »Ich beginne mit dem Landeanflug.«
»Wem auch immer du im M-Raum begegnet bist, Junge …«, brummte Coltan. »Jetzt spielt es keine Rolle mehr. Wir sind beim Artefakt, und du wirst es für uns öffnen.«
53
Eine dunkle Landschaft lag vor ihnen, umgeben von einer dunklen, toten Welt. Mattes Licht kam von einem düsteren Himmel, grau wie im Artefakt. Zu feinem Staub zerfallenes Gestein strömte wie eine Flüssigkeit über den Boden, dem schwarzen Moloch entgegen, zu dem das Artefakt geworden war, einer Stadt aus kristallartigen Türmen und monolithischen Quadern, finster wie die Nacht.
Joyce hielt ein Messgerät in der Hand. In dem kleinen Rucksack auf seinem Rücken steckte ein zweites, wichtigeres Gerät. »Es nimmt die Materie des Planeten auf, wandelt sie um und erweitert sich dadurch.«
»Aber es gibt keine Materieparität«, erwiderte Coltan, als sie sich vom Clipper entfernten. »Die Superschmiede nimmt mehr Materie auf, als sie für ihren eigenen Bau verwendet.«
Ein vages Flirren umgab den hinter ihnen zurückbleibenden Atmosphärenwagen, ein energetischer Kokon, der ihn vor dem Absorptionsfeld des Artefakts schützen sollte. Sie alle trugen dicke Thermokleidung, aber keine Neutralisatoren wie jene, die Rahil, Elisha und Thresa benutzt hatten. Das Gerät in Joyces Rucksack hielt das Absorptionsfeld von ihnen fern, indem es sie in eine »Kontinuumblase« hüllte, wie er es nannte. Rahil vermutete, dass jene Technik vom Helfer seines Vaters stammte, dessen Identität und Absichten weiterhin rätselhaft blieben. Die Blase bot nicht viel Platz; Joyce betonte mehrmals, dass sie dicht beisammenbleiben mussten, da dem Wirkungsbereich der Kon tinuumblase enge Grenzen gesetzt waren.
Darin sah Rahil eine Chance.
Er versuchte, Sammaccan ein Zeichen zu geben, als sie durch den fließenden Staub schritten, der schwarzen Stadt des Artefakts entgegen. Aber das war nicht leicht, denn der Polymorphe von Munraha ging zwischen den beiden Männern, die ihm im Clipper auf der Sitzbank Gesellschaft geleistet hatten, einer von ihnen mit einem Verband an der Schulter. Mit seinen morphischen Fähigkeiten konnte ihm Sammaccan eine große Hilfe sein, aber wenn er nicht zusammen mit Rahil aktiv wurde, wenn er zu lange zögerte … Ohne Waffen und mit deaktivierten Femtomaschinen hatte Rahil gegen seinen Vater, Joyce, den Piloten und die beiden anderen Männer keine Chance. Auch diesmal trug Sammaccan keine sichtbaren Fesseln; seine Bewegungsfreiheit schien nicht eingeschränkt zu sein. Er ging mit hängenden Schultern und hielt den Kopf gesenkt, wirkte niedergeschlagen und resigniert. Rahil fragte sich, ob sein Vater Sammaccans Gestaltwandlerpotenzial irgendwie lahmgelegt hatte, so wie seine Femtomaschinen.
Weitere Kostenlose Bücher