Artefakt
War das überhaupt möglich? Was auch immer der Fall sein mochte: Coltan machte einen sehr selbstsicheren Eindruck und schien zu glauben, seinem Ziel nahe zu sein. Was Rahil in seiner Entschlossenheit bestärkte, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen.
Links von ihnen führten die Reste einer Straße zu einer kleinen Stadt, deren Gebäudereste wie farblose Gerippe im Halbdunkel aufragten. Rahil beobachtete, wie die Mauern am nördlichen Stadtrand in sich zusammensackten und zu Staub zerfielen, der sofort Teil des dunklen Strömens auf dem Boden wurde.
»Das ist, beziehungsweise war, Leho«, sagte der Mann mit dem Schulterverband. »Bis vor wenigen Monaten war die Stadt fast neunhundert Kilometer vom Artefakt entfernt. Und jetzt ist es hier.« Er deutete zu den Türmen, die wie riesige Stabkristalle aufragten. Ein leises Knirschen und Grollen kam von dort, Geräusche, die Rahil bereits vertraut waren.
»Die Superschmiede hatte eine ursprüngliche Masse von etwa zweihunderttausend Tonnen«, sagte Coltan, während sie durch den dunklen flüssigen Staub gingen: Ihre Schritte wirbelten ihn nicht auf, sondern verursachten Wellen darin. »Wie groß mag die Masse jetzt sein? Wie weit hat sich das Artefakt in den Planeten gefressen?«
»Was würdest du damit machen, wenn du es wirklich unter deine Kontrolle bringen könntest?«, fragte Rahil. »Glaubst du vielleicht, die anderen Gefallenen Welten sähen ruhig zu? Und was ist mit Bruch-Gemeinschaft und Ägide? Glaubst du, sie würden die Hände in den Schoß legen, während du solche Macht an dich reißt?«
»Was glaubst du , Junge? Dass die Ägide eine Planetenbombe auf Heraklon abwirft und eine ganze Welt opfert, um das Artefakt zu vernichten? Das hätte sie viel eher tun sollen, wenn man die Dinge aus ihrer Sicht betrachtet. Als das Artefakt nicht mehr war als der Oktaeder und die im Boden darunter steckende Masse. Aber das war natürlich undenkbar, denn schließlich war Heraklon eine Welt des Friedens und der Diplomatie. Ich bezweifle, dass sich selbst mit einer Planetenbombe jetzt noch etwas gegen die Superschmiede ausrichten ließe. Vielleicht nähme sie all die Energie auf, um sie für ihre Zwecke zu verwenden.«
Joyce blieb kurz stehen und sah auf sein Messgerät. »Wir hätten die Barriere der Phasenübergänge längst erreichen müssen.« Er sah Rahil an und fügte hinzu: »Welche Entscheidungen auch immer die Ägide jetzt treffen mag – sie kommen zu spät.«
Sie erreichten die Ausläufer der schwarzen Landschaft aus geometrischen Formen, und wieder fühlte sich Rahil von den kantigen Massen und ihren klaren Linien an die Erste Station der Exklusiven erinnert, die das Licht von neunhundertneunundneunzig Sonnen empfangen hatte. Gab es einen Zusammenhang?
Wenige Schritte vor ihnen hörten die Bewegungen des Staubs dort auf, wo schräge Flächen wie Rampen zu den ersten schwarzen Türmen führten, etwa hundert Meter entfernt. Rahil fragte sich, wie sein Vater vorgehen wollte, und er sah eine Chance.
Ein dumpfer Schmerz entstand hinter seiner Stirn.
»Es gibt keine Barriere mehr, Sire«, sagte Joyce mit einem weiteren Blick auf sein Messinstrument. »Vermutlich deshalb, weil die Phasenübergänge weniger steil sind und sich über einen größeren Bereich erstrecken.«
Coltan zeigte nach vorn. »Zum ersten Turm.«
Sie verließen den strömenden Staub und betraten das harte, glatte Schwarz des Artefakts. Ein matter Glanz lag auf der Substanz, aus dem die Superschmiede bestand, wie schmutziges Eis, und wo sie sie berührten, entstanden wellenförmige Bewegungen, wie zuvor im Staub. Der Druck zwischen Rahils Schläfen nahm zu, und er fühlte die Versuchung, wieder die inneren Augen und Ohren zu öffnen. Aber er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen.
Die Rampe stieg sanft an, und sie gingen auf ihrer linken Seite. Nach dreißig oder vierzig Schritten befanden sie sich einige Meter über dem Bodenniveau.
Waren Coltan und seine Männer bewaffnet? Es hätte Rahil sehr gewundert, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, doch weder an Bord des Clippers noch während des Wegs hierher hatte er bei seinem Vater und den anderen Hinweise auf Waffen gefunden. Warum fühlte sich Coltan so sicher?
Was auch immer der Grund sein mochte – Rahil konnte nicht länger warten. Er stöhnte und hob die Hand zum Kopf. »Es geht mir nicht gut«, sagte er und taumelte, was ihn etwas näher zu dem Mann links von Sammaccan brachte, der direkt am Rand der Rampe ging. Der andere
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