Artefakt
einem Freund geworden war.
Eine andere Szene fiel ihm ein. Als sie im Flüchtlingslager bei Nabbuk mit der Lokomotive aufgebrochen waren, als sie die Lok auf der mobilen Scheibe gedreht hatten … Rahil erinnerte sich daran, im Führerhaus der Lok auf Sammaccan gewartet zu haben, und schließlich war der Polymorphe nass vom Regen und auch schmutzig zurückgekehrt – die Erinnerungsbilder zeigten ihm die Rußflecken an seiner Kleidung, seinem Leib, ganz deutlich.
»Auf der Drehscheibe bei Nabbuk am Rand der Großen Grauen Leere«, sagte er. »Du hast meinem Vater auf den Tender mit der Kohle und dem Dung geholfen, nicht wahr? Darum hat es so lange gedauert. Darum bist du schmutzig gewesen.«
»Es tut mir leid, Rahil Tennerit«, wiederholte Sammaccan und hielt den Kopf gesenkt. »Es tut mir wirklich leid.«
»Unser Bündnis mit den Polymorphen ist alt, mein Sohn«, sagte Coltan. »Es geht auf Juranjo Rett Tennerit zurück, wie du weißt. Wir setzen eine Tradition fort. Die Erste Mutter von Munraha nahm unsere Vorschläge gern entgegen. Sie half uns, und wir …« Rahils Vater vollführte eine Geste, die dem Artefakt und den Veränderungen auf Heraklon galt. »Wir hätten ihr geholfen, unter anderen Umständen. Ich fürchte, dazu ist es jetzt zu spät.«
»Meine geliebte Mutter …«, sagte Sammaccan leise, und es klang fast wie ein Schluchzen.
»Deine geliebte Mutter?«, brachte Rahil hervor. »Auch das war gelogen? Was ist mit dem Kampf für die Freiheit der Männer von Munraha?«
»Es gehörte zu seiner Rolle, die er dir gegenüber spielte«, sag te Coltan. »Allerdings hat dieser Punkt einen wahren Kern. Sam maccan gehörte einer maskulistischen Untergrundbewegung an, was ihn aber nicht daran hinderte, seine Mutter über alles zu lieben. Als sie ihn bat, uns zu helfen, war er sofort bereit.«
Einige Sekunden lang war es so still, dass Rahil die Atemzüge der anderen hörte. Selbst das Knirschen und Grollen des wachsenden Artefakts hörte auf. In dieser Stille hörte er den Lärm der eigenen Gedanken und verfluchte seine Dummheit so laut, dass er glaubte, man müsste ihn bis nach Lautaret hören.
Der Schein trügt, dachte er dann. Hatte der Gesserat das damit gemeint?
»Was ist mit meinen Femtomaschinen?«, fragte er schließlich.
»Sie sind auf diesen externen Controller programmiert«, antwortete Coltan und hob den silbernen Stift. »Alles ist möglich: Schwäche, Schmerz, das Versagen einzelner Organe, sogar der Tod.«
»Eine hübsche Liste«, sagte Rahil bitter. Die Stille verschwand, nicht nur von ihren Worten vertrieben. Ein Knistern kam aus den schwarzen Tiefen der Stadt, zu der das Artefakt geworden war, und es schien Rahil zu rufen.
»Und ich kann frei aus dieser Liste wählen, Junge. Aber ich möchte nicht. Ich möchte, dass du endlich begreifst: Ich tue dies für uns alle.«
»O ja, Coltan Jaqiello, Patron der Tennerits, einst nur Herr von Meemken, dann von Dymke und Caina. Und Herrscher des Dutzends nach einem Krieg, bei dem zahlreiche Menschen gestorben sind – alles notwendige Opfer, nicht wahr? Ich nehme an, du hast schließlich deine altruistische Ader entdeckt. Oder willst du vielleicht für deine Sünden büßen, indem du nur noch an das Wohl der Menschheit denkst und deine eigenen Interessen vergisst?« Rahil hob die Stimme, als wollte er dem Artefakt etwas zurufen: »Hier steht ein Mann, der seine eigenen Kinder als Werkzeuge einsetzt, der nicht davor zurückschreckt, Sohn und Tochter für seine Zwecke zu missbrauchen. Hör mit deinen erbärmlichen Versuchen auf, mir gute Absichten vorzuheucheln, Vater. Du würdest mich auf der Stelle töten, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern, wenn du sicher sein könntest, dadurch die Kontrolle über das Artefakt zu bekommen.«
Harte Linien gruben sich in Coltans Gesicht. »Zwing mich nicht, von diesem Controller Gebrauch zu machen.«
O nein, ich zwinge dich nicht, Vater, dachte Rahil und setzte sich, noch immer schwach, in Bewegung. Coltan winkte, und die anderen folgten ihm: der Verräter Sammaccan, Joyce, der die Ägide verraten hatte, der Pilot des Clippers und schließlich Coltan Jaqiello, der Mann, dem es angeblich um das Wohl der Menschheit ging und dessen Streben und Trachten sich doch nur um ihn selbst drehten. Der Controller für die Femtomaschinen gab ihm Macht, hier, an diesem Ort. Aber im Innern des Artefakts sah die Sache vielleicht ganz anders aus.
Sie erreichten den ersten dunklen Turm, und Rahil blickte an ihm
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