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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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erst am Beginn einer langen Entwicklung. Vielleicht schaffen Sie es in einigen Millionen Jahren, das aufzugeben, was Sie für Identität halten, und den Kosmos so zu sehen, wie er wirklich ist, oder zumindest einen Teil davon.« Bei den letzten Worten veränderte sich die Stimme des Gesserat und wurde ernster. »Es ist einer der Gründe, warum Sie noch nicht zu den Hohen Mächten gehören und keinen Zugang zur Kosmischen Enzyklopädie haben. Oh, ich muss noch einmal um Entschuldigung bitten, Rahil Tennerit. Möchten Sie etwas zu essen oder zu trinken?«
    Zacharias winkte, und plötzlich war der Tisch voller Speisen und Getränke. Schüsseln und Teller standen dort, mehr als eigentlich auf dem Tisch Platz finden sollten, gefüllt mit herrlich duftenden Spezialitäten, und Dutzende von Kelchgläsern mit perlenden Flüssigkeiten.
    »Vor einigen Jahrtausenden Ihrer Zeit lebte ein Mensch, der von Technik sprach, die so hoch entwickelt ist, dass sie wie etwas erscheint, das Sie Magie nennen. Ich glaube, die genauen Worte lauteten: › Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden. ‹ Und doch ist diese Technik recht einfach und mit den Schmieden verwandt, die wir Ihnen zur Verfügung gestellt haben. Andere Dinge, wie diese › Polis ‹ , sind weitaus komplexer. Sie würden staunen, Rahil Tennerit. Selbst über das, was Sie mit Ihrem begrenzten Wahrnehmungsvermögen erkennen könnten.«
    Rahil hob den Blick vom Bankett, musterte das Geschöpf auf der anderen Seite des Tisches und erinnerte sich daran, dass die Gesserat der Aufnahme der Menschheit in den Kreis der Hohen Mächte skeptisch gegenüberstanden. »Warum wollen Sie mich unbedingt beeindrucken, Zacharias? Warum wollen Sie mir mit kleinen Tricks Ihre Überlegenheit beweisen?«
    »Oho«, erwiderte der Gesserat und lehnte sich auf dem unter ihm knarrenden Stuhl zurück. »Versuchen Sie, mich zu provozieren?«
    Wenn er wirklich alle meine Gedanken erfasst, warum spre chen wir dann miteinander, warum benutzen wir Worte?, dachte Rahil.
    »Weil Gedanken für Sie weniger bedeuten als ausgesprochene Worte«, sagte der Gesserat, und wieder lag Ernst in seiner Stimme. »Weil Sie – und damit beziehe ich mich erneut auf Ihre Spezies – Konzepte, Ideen und Vorstellungen mit ausgesprochenen Worten konkretisieren müssen. Ohne solche Worte bleiben sie vage, ohne die Substanz von Bedeutung. Was unsere Überlegenheit betrifft, mein lieber Rahil Tennerit …« Der Gesserat rümpfte die Nase. »Wir – und damit meine ich alle Hohen Mächte, selbst die Krion, die auf dem Status von Primären beharren, obwohl sie meiner bescheidenen Meinung nach Sekundäre sind – stehen so weit über Ihnen wie Sie über … Amöben.«
    Ein Schimmern lenkte Rahil ab, und als er den Kopf hob, spannte sich ein breiter messinggelber Bogen wie eine Him melsstraße über dem Hügel, dem Glitzern der Regenbogenstadt entgegengewölbt. In diesem weit gespannten Bogen bildeten sich Blasen, aus denen dunkle Punkte der Stadt entgegenfielen. Einige von ihnen näherten sich dem Hügel und verwandelten sich dabei in IKV-Sphären, von denen Lichtblitze ausgingen, als Zacharias eine feingliedrige Hand hob und ihnen zuwinkte.
    »Es sind Heimkehrer und Besucher«, sagte der Gesserat. »Aus anderen Poleis und aus fernen Galaxien. Zwei von ihnen kommen aus der Zukunft, was für Sie von besonderem Interesse sein dürfte.«
    Rahil drehte ruckartig den Kopf und stellte fest, dass sich der Gesserat verändert hatte. Was eben noch wie ein Choloepus ausgesehen hatte, schien mindestens die Hälfte seiner Masse verloren zu haben. Das dort auf dem Stuhl sitzende Geschöpf war gläsern wie ein Ippakao, mit dünnen Gliedmaßen, die wie die Stadt zu Füßen des Hügels aus zahllosen Kristallen zu bestehen schien.
    »Ist das Ihre wahre Gestalt?« Rahil war zweimal zuvor Gesserat begegnet, einmal auf Greenrose, bei einer auch von den Hohen Mächten besuchten Konferenz der Ägide, und das zweite Mal während eines Einsatzes auf Filyan. Bei beiden Gelegenheiten hatte er große, pelzige Wesen gesehen, die sich langsam und bedächtig bewegten, mit Augen, die anderen das Gefühl gaben, winzig und unbedeutend zu sein.
    »Dass eine solche Frage von Ihnen kommt, wundert mich nicht«, antwortete der Gesserat. Er sprach noch immer mit tiefer, rauer Stimme. »Für Leute wie Sie gibt es nur eine › wahre ‹ Gestalt. Fragen Sie Sammaccan, was er von einem solchen Konzept hält. Ich habe mich nicht

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