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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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klatschnass, mit einer kleinen Regenwasserlache zu seinen Füßen – und seine Lippen bewegten sich, aber Rahil hörte die Worte nicht. Alle seine Sinne waren auf die Wahrnehmung des Gegners konzentriert.
    In der Dunkelheit zwischen zwei offenen Frachtbehältern bewegte sich etwas, und Rahil schoss mit der Waffe in seiner rechten Hand. Es handelte sich um einen einfachen Inhibitor, wie er von Ordnungs- und Sicherheitskräften verwendet wurde, und es genügte schon eine schlichte EM-Abschirmung, um die Mikronadeln abzulenken, die das Nervensystem der Zielperson blockieren sollten.
    Für den Bruchteil einer Sekunde zeichneten sich in der Finsternis jenseits des schwachen Lampenscheins die Umrisse einer Gestalt ab, die eine Waffe hob. Gleichzeitig ertönte die Stimme der Maint und durchdrang Rahils Wahrnehmungsfilter, der Unwichtiges von Wichtigem trennte.
    »Verbindung hergestellt. Die Restenergie genügt für zwanzig Sekunden Transitstabilität. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das Fehlen von Kompensatoren …«
    Der Rest verlor sich im Heulen einer anderen Waffe. Rahil hatte es erwartet und war zur Seite getreten, vor Sammaccan, der inzwischen nicht mehr die Kapuze des Regenmantels über dem Kopf trug und dessen Gesicht wieder reptilienhafte Züge gewann. Er gab dem jungen Polymorphen einen Stoß, sodass dieser in die bunten fraktalen Muster kippte – sie schwammen in Perlmutt, wie Blumen auf der Oberfläche eines Sees, und öffneten sich für ihn. Das gleiche Bewegungsmoment, von stimulierten Muskeln geschaffen, trug Rahil ins Kickout. Die Rüstung versuchte, ihn vor dem Schmerz zu bewahren, aber er schrie trotzdem, als etwas Körper und Geist packte und beides langsam zerriss, Stück für Stück.
    17
    Zeit verstrich. Es musste Zeit vergehen, denn er dachte, und Denken erforderte Zeit, aber das Gefühl dafür fehlte, was vielleicht daran lag, dass Rahil keine Verbindung mehr mit dem Empirion spürte. Seine Gedanken wirbelten durcheinander wie von einem Windstoß erfasstes Laub, und als er sie zu ordnen begann, nahm er zur Kenntnis, dass die körperliche Komponente nicht ganz fehlte. Er stand auf etwas – er spürte Boden unter sich –, und als er den Arm hob, sah er die eigene Hand, seltsam glatt und jung, fast wie die einer anderen Person. Und dann, ohne dass er sich bewegte, stieg er auf, als hätte jemand seine Augen genommen, aus dem Kopf gelöst und nach oben getragen. So sah er sich selbst, noch immer in einen nassen Regenmantel gehüllt, und dicht hinter ihm, nur wenige Zentimeter vom Nacken entfernt, schwebte ein kleiner, pfeilförmiger Bolzen, gefüllt mit einem Toxin, das ihn betäuben sollte.
    »Offenbar vertraut der Ascar darauf, dass die Femtomaschinen in Ihrem Körper auch große Schäden reparieren können«, ertönte eine Stimme aus dem grauen Nichts, das ihn umgab. »Wenn der Bolzen Ihren Nacken träfe, käme es zu einer ernsten Verletzung des Rückgrats. Ihr Verfolger wollte ganz sicher sein, Sie außer Gefecht zu setzen.«
    Rahil wollte sich umsehen und feststellen, woher die Stimme kam und wem sie gehörte, aber stattdessen glitt sein Blick zu dem Geschoss aus dem Paralysator des Ascar, und er betrachtete die glatte silberne Hülle, unter der das Gift wartete.
    »Was geschieht mit mir?«, fragte er, hörte die eigene Stimme und sah, wie sich seine Lippen bewegten.
    »Derzeit gar nichts, wie Sie eigentlich erkennen sollten«, antwortete die Stimme aus dem Nichts. »Möchten Sie vielleicht, dass etwas geschieht? Soll ich das Geschoss loslassen, damit es Sie trifft? Soll ich Sie loslassen, damit der Schmerz Sie zerfetzt?«
    Nein, dachte Rahil.
    »Na bitte«, fuhr die Stimme fort. »Und denken Sie jetzt nicht, dass ich Ihre Gedanken lese. Oh, Sie haben es gerade gedacht … Ob Sie denken oder sprechen, es macht keinen Unterschied, Rahil Tennerit. Nicht hier. Nicht für mich.«
    »Wo ist Sammaccan? Wer sind Sie?«
    »Sammaccan befindet sich in einem anderen Moment des Transits. Und was meine Identität betrifft … Ahnen Sie nicht zumindest, mit wem Sie es zu tun haben?«
    Rahils Augen – seine Perspektive – kehrte in den Kopf zurück, und er war sich auf unangenehme Weise des Geschosses dicht hinter seinem Nacken bewusst. »Sie haben den Transit unterbrochen.«
    »Das habe ich, ja.«
    »Ich nehme an, Sie befinden sich in der Polis, die vor Kurzem im Otiz-System erschienen ist. Sie gehören zu den Hohen Mächten.«
    »In der Tat, Rahil Tennerit. Nun, ich glaube, Ihr Bewusstsein

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