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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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verändert, Rahil Tennerit. Es ist Ihre Wahrnehmung, die Ihnen Streiche spielt, hier an diesem Ort, der Ihre Sinne überfordert.«
    Rahil blickte an sich herab und stellte fest, dass er stand, ohne eine Erinnerung daran, aufgestanden zu sein. Langsam setzte er sich, und als er wieder über den Tisch sah, saß dort ein großes, pelziges Geschöpf, das für den Stuhl viel zu schwer zu sein schien.
    »Hören Sie auf damit«, sagte er und spürte, wie er die Fäuste ballte. »Hören Sie auf, mit mir zu spielen, Zacharias! Ich bin so, wie ich bin, und ich bin das, was ich bin. Ich kann nichts dafür. Körper und Geist gehorchen einem genetischen Programm, für das ich keine Verantwortung trage. Ich versuche zu lernen und mich weiterzuentwickeln, und gleichzeitig weiß ich, dass mir Grenzen gesetzt sind. Aber das alles gibt Ihnen nicht das Recht, sich über mich lustig zu machen. Und Arroganz ist nicht gerade ein Zeichen von Reife.«
    Einige Sekunden herrschte Stille, und dann hörte Rahil ein seltsames Geräusch aus der Ferne: Es klang nach brechendem Glas.
    »Die beiden Besucher aus der Zukunft«, sagte Rahil, als der Gesserat schwieg. »Sind sie der Grund, warum Sie mich hierhergeholt haben? Möchten Sie mit mir über das Artefakt auf Heraklon sprechen?«
    »Ich möchte Sie etwas fragen, Exekutor der Ägide«, sagte der Gesserat, während sich über ihnen die goldene Himmelsstraße aufzulösen begann, wobei sie ihre Farbe wechselte. Aus dem glänzenden Gelb wurde ein stumpfes Grün, das schnell einem opalisierenden Blau wich. Fransen erschienen an den Rändern, fraktale Muster, von denen dünne Linien ausgingen und sich in nur einem Moment im ganzen Band ausbreiteten. Ein Schimmern, ein Flackern, und der Himmel über der Polis war wieder leer. »Haben Sie den Wind der Zeit gefühlt, wie er aus verschiedenen Richtungen weht? Und wie schwer sind Wahrheit und Lüge für Sie?«
    Rahils Gedanken machten einen Sprung. »Sie sind der Evaluator, mit dem Lucrezia gesprochen hat.«
    »Der bin ich, ja.«
    »Lucrezia ist tot.«
    Der Gesserat beugte sich vor und seufzte tief. »Ich weiß«, sagte er traurig. »Es tut mir sehr leid.«
    Neuer Ärger regte sich in Rahil, hier an diesem Ort, an dem er nicht von neuronaler Stimulation unter Kontrolle gehalten wurde. »Sie hätten ihr damals die Femtomaschinen lassen können, als sie aus dem aktiven Dienst der Ägide schied. Lucrezia ist einem Geschoss des Ascar zum Opfer gefallen, der mich verfolgt, aber zum Tode verurteilt wurde Sie damals von Ihnen. Die Femtomaschinen hätten den angerichteten Schaden reparieren können.«
    Die Schultern des Gesserat sackten ein wenig. »Es tut mir aufrichtig leid. Wenn ich allein die Entscheidungen treffen könnte, hätte sie die Femtomaschinen behalten. Aber das Gremium bestand auf der Einhaltung der Regeln.«
    »Das Gremium?«
    »Ich bin nicht der einzige Evaluator, Rahil Tennerit. Und gerade Sie sollten wissen, wie schwer es sein kann, gewisse Entscheidungen zu treffen. Der Tod, das Ende der Existenz, ist eine solche Tragödie, dass mich der Gedanke daran betroffen macht, selbst heute noch, nach all den Jahrmillionen und Jahrmilliarden. Oder vielleicht ist es gerade die lange Zeit unserer eigenen Existenz, die den Tod so absurd erscheinen lässt.«
    »Sie könnten uns helfen, ihn zu besiegen«, sagte Rahil. Die Worte lagen in ihm bereit, diese und andere, seit vielen Jahren, geschaffen von bitteren Gedanken. »Sie könnten uns dabei helfen, die immense Tragödie des Todes zu überwinden. Die dazu notwendige Technik haben Sie.«
    Der Gesserat nickte bedächtig. »Das stimmt. Die Femtomaschinen sind nur ein kleiner Teil davon, nicht nur aufgrund ihrer physikalischen Größe. Es gibt andere Methoden, den Tod zu überwinden. Ein ganzes Kapitel der Kosmischen Enzyklopädie erzählt davon.«
    »Ein ganzes Kapitel der Enzyklopädie, zu der wir keinen Zugang haben.«
    »Der Tod, Exekutor Rahil, ist auch ein Entwicklungsmotor. Er treibt die Entwicklung einer Spezies voran. Er schafft Platz für Neues.«
    »Glauben Sie, das hat es für Lucrezia leichter gemacht?«, erwiderte Rahil scharf.
    »Nein, Exekutor, gewiss nicht. Aber wir reden hier auch nicht von Individuen, obwohl Sie darauf bestehen, alles aus einer solchen Perspektive zu sehen. Wir reden von Völkern und notwendigen Entwicklungen.«
    »Was sind notwendige Entwicklungen? Wer entscheidet darüber, was › notwendig ‹ ist?«
    »Wissen Sie das wirklich nicht?«, erklang die tiefe Stimme des

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