Artefakt
Nachrichten ohne nennenswerten Zeitverlust über Zehntausende von Lichtjahren übermittelt werden, doch in anderen Fällen erreichten sie ihr Ziel erst nach Wochen oder Monaten.
»Fast tausend ?«, fragte Rahil. »Sie können wohl kaum von › falschen Winden ‹ ins Lagoni-System getragen worden sein, wie der Späher behauptete.«
»Wir gehen davon aus, dass ihre Flotte im relativistischen Flug unterwegs war«, sagte Milissa. »Die Kickouts können sie nicht benutzt haben, und in den Sprungvektoren hätten wir sie früher oder später entdeckt. Außerdem hätten sie die Vektoren nach Heraklon gar nicht verwenden können, weil wir seit einer guten Woche einen Wellenstörer und zwei Fluktuatoren bei den Sprungsektoren des Lagoni-Systems einsetzen. Nicht ein mal mit geschmuggelter primärer Technik wären sie in der Lage gewesen, die Störungsfronten zu durchdringen. Wir gehen davon aus, dass die elf Clan-Gruppen hundertfünfzig Jahre im relativistischen Flug unterwegs waren und von Quebal kommen.«
»Hundertfünfzig Jahre«, sagte Rahil nachdenklich und spürte, wie die zerebralen Schaltkreise der Rüstung diese Information verarbeiteten. »Es ist ein neuer Plan. Wie damals die Sache mit Greenrose. Die Segler haben erneut in Langzeit gedacht. Wie sieht ihr Plan aus?«
»Wir nehmen an, dass es ihnen wie allen anderen um das Artefakt geht.«
»Wenn sie anderthalb Jahrhunderte unterwegs gewesen sind, müssen sie schon damals vom Artefakt gewusst haben. Wie ist das möglich?«
»Das wissen wir nicht.«
Rahil beobachtete, wie die Lichter des Himmelsschiffs der Milwee über Milissas Gesicht strichen, es mal aus den Schatten holten und dann wieder darin versteckten. Einige rote und grüne Reflexe gaben ihren Zügen etwas Fratzenhaftes.
»Bruch-Gemeinschaft und Ägide haben vierzig Schiffe im Lagoni-System, aber sie genügen natürlich nicht, um die Lage zu kontrollieren«, sagte die Psychomechanikerin. »Außerdem sind uns ohnehin die Hände gebunden.«
»Manchmal sollten wir die Fesseln abstreifen.«
»Ich kenne Ihre Meinung, Rahil.« Milissa Gauwain sprach noch immer sanft. Nichts schien sie aus der Ruhe bringen zu können. »Sie haben sich oft genug über die Regeln beklagt. Wer auch immer Sie zum Exekutor gemacht hat, er fand fruchtbaren Boden in Ihnen.«
Rahil musterte die Psychomechanikerin mit neuer Wachsamkeit. Für einen Moment hatte er vergessen, worum es bei diesem Gespräch ging.
»Bringen Sie den Diplomatischen Rat von Heraklon dazu, ein offizielles Hilfegesuch an die Ägide zu richten«, sagte er. »Dann können wir eingreifen, mit allen unseren Mitteln. Oder mit fast allen«, fügte er hinzu, als Milissa zu einem Einwand ansetzte.
»Der Diplomatische Rat existiert nicht mehr«, sagte Milissa auf der anderen Seite der Interdiktionsbarriere. »Es gibt niemanden, der uns rufen kann. Die Botschafterin von Munraha hat uns um Hilfe gebeten, aber auf die Anfragen einzelner Nationalstaaten können wir nicht eingehen. Die derzeitige Lage auf Heraklon ist … sehr unübersichtlich. Drei von uns in den Einsatz geschickte Missionare melden sich nicht mehr. Einer von ihnen hatte den Auftrag, die von Seglern eingesetzten Akkumulatoren zu neutralisieren. Es scheint ihm nicht gelungen zu sein, denn unsere Satelliten berichten, dass sich die Signalsammler in den Netzen von Heraklon weiter ausbreiten.«
In den Netzen, dachte Rahil. Heraklon hatte keine dichte Aura wie die Welten der Bruch-Gemeinschaft, nur einzelne planetare Netze mit limitierten Schnittstellen. Das konnte sich in diesem Fall als Vorteil erweisen. Seine Gedanken kreisten erneut um die Mission, stimuliert von der Rüstung.
»Die Ägide könnte den Einsatz von Akkumulatoren als kriegerischen Akt der Segler interpretieren«, sagte er. »Als den Versuch, erst die Datennetze und dann den Planeten unter ihre Kontrolle zu bringen. Es würde ein Eingreifen der Ägide rechtfertigen.«
»Zwei Poleis der Hohen Mächte sind zehn Lichtminuten über der Ekliptik des Lagoni-Systems in Position gegangen, Rahil.«
»Ein Logenplatz«, kommentierte er. »Sie beobachten und bewerten.«
»Und sie achten darauf, ob wir die Regeln einhalten. Dies ist unsere große Prüfung, Rahil. Wenn wir sie bestehen, haben wir bewiesen, dass wir den Aufstieg verdienen. Selbst wenn uns die Hohen Mächte nicht sofort den Status von Sekundären gewähren und in ihre Gemeinschaft aufnehmen: Sie werden die Kosmische Enzyklopädie für uns öffnen, oder zumindest Teile von
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