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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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offenbar mithilfe eines Mikrogravitators bewegte, wollte Rahil nach dem Weg fragen, aber er hielt nicht an und eilte einfach an ihr vorbei, was sie mit einem verärgerten Schnaufen quittierte.
    Wie weit würde der Ascar gehen, um ihn zu fassen? Wie war es nach den Fehlschlägen, die er hatte hinnehmen müssen, um seine Ehrenregeln bestellt? Würde er im Verborgenen bleiben und Rücksicht auf die anderen Personen an Bord nehmen, oder war er bereit, sich ganz offen zu zeigen, auch vor zahlreichen Augenzeugen, und Kollateralschäden in Kauf zu nehmen? Gab es an Bord dieses Katamarans einen Ort, wo sie selbst vor den besonderen Sinnen eines Ascar geschützt waren?
    Der Kollaps kam so überraschend, dass Rahil nach Luft schnappte. Er taumelte, prallte gegen die Wand und versuchte, sich daran festzuhalten. Seine Femtomaschinen schalteten sich ab, als nicht mehr genug Energie zur Verfügung stand – um weiterhin in Betrieb zu bleiben, hätten sie dem Körper so viel Kraft entziehen müssen, dass Rahil sofort bewusstlos geworden wäre.
    »Rahil Tennerit …«, erklang eine Stimme in seiner Nähe. »Ich fühle mich nicht gut.«
    Rahil stieß sich von der Wand ab und sah, dass Sammaccan halb in sich zusammengesunken war, der eine Arm gestreckt und der andere in einem für normale Humanoide unmöglichen Winkel geknickt. Seine Augen waren fast so groß geworden wie die der Kzosek, und die Nase verformte sich, wurde breiter und flacher.
    Hier im Gang können wir nicht bleiben, wollte Rahil sagen, aber er brachte nur ein Krächzen hervor. Er wankte zur nächsten Tür, die nicht abgeschlossen war, zog sie auf und sah etwas, durch einen Schleier der Benommenheit, das ein Lagerraum zu sein schien. Sein Blickfeld engte sich ein, und er merkte, dass selbst die eigentlich autarke Rüstung, die über eine eigene Ener gieversorgung verfügte, mit Sicherheitsdeaktivierungen einzelner Komponenten begann. Die zerebralen Schaltkreise fuhren auf eine minimale Aktivitätsstufe herunter, auf die Programmbibliotheken war kein Zugriff mehr möglich. Nur der integrierte Formspeicher bewahrte seine volle Funktion.
    Dies ist mehr als nur Erschöpfung, begriff Rahil, als er auf Sammaccan zutaumelte, den Polymorphen an beiden gummiartigen Armen packte und ihn in den Lagerraum zog. Der Dunst der Benommenheit, durch den seine Gedanken krochen, war so dicht geworden, dass Rahil ungewöhnlich lange brauchte, um zur richtigen Schlussfolgerung zu gelangen.
    Interdiktion.
    Es befand sich jemand an Bord, der ein Interdiktionsfeld geschaffen hatte, das primäre Technik wie die Femtomaschinen in Rahil und einige Teile des Empirion neutralisierte und vielleicht aufgrund einer besonderen Funktionsspezifikation auch Sammaccan beeinflusste. Nur eine Person kam dafür infrage: der Ascar. Aber für ein Interdiktionsfeld, das primäre Technik neutralisierte, genügte die Hightech der Bruch-Gemeinschaft nicht; dafür war Technologie der Primären erforderlich. Woraus sich die Frage ergab: Woher hatte der Ascar einen Interdiktor?
    Rahil schloss die Tür, lehnte sich schwer atmend dagegen und beobachtete, wie sich Sammaccans Beine in eine amorphe Masse verwandelten. Einzelheiten blieben ihm verborgen, was er nicht bedauerte. Das einzige Licht in dem kleinen Lagerraum stammte von einem schmalen Fenster hoch oben in der gegenüberliegenden Wand – offenbar zeigte es zum Bereich zwischen den Rümpfen des Katamarans und empfing somit kein direktes Lampenlicht.
    Chaos herrschte in Rahils Bewusstsein. Seine Gedanken wirbelten durcheinander, Gefühle zogen wirre Bahnen – es fehlte die gewohnte Koordination durch Femtomaschinen und Rüstung. Wie sollte er unter diesen Umständen einen Ausweg finden? Außerdem breitete sich Müdigkeit in ihm aus und ließ ihn kraftlos zu Boden sinken, direkt neben dem jungen Polymorphen, der vergeblich versuchte, wieder feste Gestalt zu gewinnen. Augen formten sich in dem Gewebebrei, das eine mit Iris und Pupille, das andere aus zahlreichen Facetten bestehend. Daneben entstand ein Mund, aus dem klickende Laute kamen.
    Wenn er uns hier findet, sind wir erledigt, dachte Rahil und bemühte sich, wieder auf die Beine zu kommen. Die Rüstung löste sich nicht von ihm, wie er zunächst befürchtet hatte – die Nervenverbindungen existierten nach wie vor –, aber das Interdiktionsfeld deaktivierte auch die letzten defensiven Systeme. Das Empirion wurde zu einer nutzlosen zweiten Haut an seinem Leib, die nicht einmal mehr taktile Reize

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