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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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vermummt war, damit niemand ihn erkannte, aber die vermeintliche Maske war ein Visier, mit Außenwelttechnik bestückt. Die Gestalt orientierte sich kurz, hob eine klobige Waffe und richtete sie auf Rahil.
    Schreie ertönten, aber Rahil hörte sie gedämpft, wie durch eine Decke, die jemand zwischen ihm und dem Geschehen aufgespannt hatte. Awilda Kossin, grau wie der Regen, riss die Augen auf und streckte die Arme aus, als könnte sie dadurch verhindern, dass Schreckliches passierte. Zwei der vorn sitzenden Schüler sprangen auf, doch sie ließen sich dabei sonderbar viel Zeit und waren viel langsamer als sonst. Der dicke Di, sein Mund ein großes O, versuchte, unter den Tisch zu kriechen.
    Am Fenster verharrten die Regentropfen, als warteten sie auf etwas.
    Es knallte, und Rahil bekam plötzlich einen Stoß, der ihn nach hinten warf. Und dann lag er auf dem Rücken, starrte an die Decke und fragte sich, was geschehen war und warum es dunkel wurde und so kalt.
    »Wer steckt dahinter?«, fragte jemand, und Rahil fand, dass sich so ein zorniger Gletscher anhören musste, wenn er eine Stimme gehabt hätte. Mit geschlossenen Augen lag er da, wie von einem Traum in einen anderen geglitten, in der Brust eine Taubheit, die langsam, ganz langsam, Schmerz wich.
    »Die Joulwan, vermuten wir«, antwortete eine zweite Stimme.
    Rahil, noch immer halb vom Schlaf umarmt, erkannte sie beide. Die erste Stimme gehörte seinem Vater, die zweite dem Sekretär Ruben.
    »Wie konnte der Mann ins Schulgebäude gelangen?«, fragte Coltan Jaqiello Tennerit, und seine Worte waren noch immer kalt, voller Zorn. »Wieso haben die Wächter ihn nicht aufgehalten?«
    »Das wissen wir noch nicht«, antwortete Ruben. Er klang zerknirscht und bedrückt. »Unsere Ermittlungen laufen. Alle Si cherheitslücken, die wir entdecken, werden sofort geschlossen.«
    »Das will ich auch stark hoffen. Bis morgen erwarte ich von Ihnen die Namen der Verantwortlichen. Wir werden sie zur Rechenschaft ziehen, ein Exempel statuieren.«
    »Wir stehen noch immer unter Beobachtung, Sire …«
    »Und wenn schon! Jemand hat versucht, meine Kinder umzubringen! Das werden die verdammten Joulwan büßen. Haben Sie gehört, Ruben? Das werden sie büßen !«
    »Ich rate zur Vorsicht, Sire. Wir sind gerade erst aus Meemken zurück, und die letzte Gesetzeskampagne der Räte und Komitees von Dymke …«
    »Die verdammten Räte und Komitees sind mir schnuppe! Setzen Sie sich mit den Strategen zusammen, Ruben. Arbeiten Sie einen Plan aus.«
    »Es existiert bereits ein Plan, Sire. Ein langfristiger, wie Sie wissen. Unüberlegte Aktionen könnten ihn in Gefahr bringen.«
    »Deshalb sollen sich die Strategen alles gut überlegen! Was den Angreifer betrifft … Ich möchte bei seinem Verhör zugegen sein.«
    »Es tut mir leid, Sire.«
    Kurze Stille folgte, und dann: »Was tut Ihnen leid, Ruben?«
    »Der Angreifer wurde getötet.«
    »Sie haben den verdammten Kerl umgebracht, ohne ihn zu verhören?« Die Stimme von Rahils Vater klang jetzt nicht mehr zornig, sondern verblüfft und fassungslos.
    »Der Angreifer war kein Mensch, sondern eine biologische Drohne, Sire«, sagte Ruben. »Er hatte einen Sprengsatz im Kopf, und der wurde ferngezündet. Bei der Explosion kam auch einer meiner Leute ums Leben.«
    »Eine Bio-Drohne? Das bedeutet, die Joulwan haben einen Uterus.«
    Rahil hätte gern die Augen geöffnet, aber die Lider waren zu schwer. Sein Vater schien trotzdem etwas zu merken, denn rasche Schritte näherten sich dem Bett, in dem Rahil lag, und etwas berührte ihn an der Stirn, etwas Raues, vielleicht ein Finger.
    »Rahil?«, fragte sein Vater vorsichtig. »Es wird alles gut, Rahil, hörst du?«
    Er hörte es und nickte, die Augen noch immer geschlossen, aber er wusste, dass nicht alles gut werden konnte, nicht in Dymke, nicht auf Caina. Der Tod lag hier auf der Lauer, im grauen Regen ebenso wie im warmen Sonnenschein am Meer. Wohin man auch ging, wohin man auch sah, die Dunkelheit war immer nur ein Blinzeln entfernt und konnte sich selbst hinter einem freundlichen Lächeln verbergen.
    Er schaffte es, den Mund zu öffnen, nur ein bisschen. »Jazmine?«, brachte er hervor. »Was ist mit ihr?« Ich muss sie schützen, dachte er. Ich muss darauf achten, dass ihr nichts passiert.
    »Sie ist unverletzt, Rahil. Ihr ist nichts geschehen. Und du wirst bald wieder gesund, hörst du?«
    Wie kann man auf einer kranken Welt gesund werden, richtig gesund?, dachte Rahil und schlief ein.
    Als er das

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