Artefakt
wollte er ihm sagen: Ich werde immer den Platz einnehmen, den du wir wünschst . Dillon stammte von Swanick, einer anderen Welt des Dutzends, und er gehörte zu den Dejoie, einer der Großen Familien, die zu den Rivalen der Tennerits zählte und für ihre Verbannung nach Meemken mitverantwortlich war. Das wusste Rahil inzwischen, und noch viel mehr, aber es interessierte ihn nicht, zumindest nicht so, wie es seinem Vater gefallen hätte, mit »Anteilnahme und Passion«, wie er es nannte. Rahil sah an Dillon vorbei, beobachtete die an der Fensterscheibe herabrinnenden Regentropfen und stellte sich vor, wie sie alles widerspiegelten, wenn man sie aus der Nähe betrachtete: kleine, kurzlebige Objekte, die doch viel mehr zeigen konnten, als sie selbst waren. Er stellte sich kleine Menschen auf den Tropfen vor, winzige Bewohner, die ihre winzige Welt für wichtig hielten und vielleicht gar nicht wussten, dass außerhalb davon eine viel größere und viel wichtigere Welt existierte, so wie jenseits der grauen Regenwolken, die vom Meer kommend über Dymke hinwegzogen, jenseits von Caina und dem Dutzend.
Während Rahil aus dem Fenster sah, glaubte er plötzlich, Emily in der halb beschlagenen Scheibe zu erkennen. Sie schien zu winken und ihm etwas sagen zu wollen, denn ihre Lippen bewegten sich. Er sah genauer hin und ignorierte die abfällige, beleidigende Handbewegung, die Dillon unter dem Tisch machte …
»Rahil?«, erklang eine Stimme. »Dürfte ich den jungen Herrn Tennerit bitten, mir ein wenig von seiner Aufmerksamkeit zu schenken?«
Rahil blinzelte. »Was?«
»Ja, ich meine dich«, sagte Tutorin Awilda Kossin. Groß und schlank stand sie da, direkt vor Rahils Tisch, ihr Hosenanzug so grau wie die Regenwolken über Dymke, der Blick eisern. Es war ein seltsamer Blick, fand Rahil, denn er hatte das Gefühl, dass hinter der strengen Fassade eine noch viel strengere Person darauf wartete, endlich einmal zum Vorschein kommen zu dürfen. Die Tutorin war wie ein knurrender Sandlöwe, der sich zurückhalten musste, obwohl er gern das Maul geöffnet und zugeschnappt hätte.
Der Vergleich gefiel Rahil, und er beschloss, später Jazmine davon zu erzählen, die in der anderen Klasse saß.
»Bitte entschuldige die Störung, Rahil«, sagte die graue Awilda Kossin mit beißendem Spott, der Dillon ein leises Lachen entlockte. »Sei doch so nett und erkläre uns, warum wir nicht zulassen dürfen, dass sich die Ägide in unsere Angelegenheiten einmischt.«
»Die Ägide?«, fragte Rahil.
Die Tutorin kehrte nach vorn zurück und drehte sich dort um. »Ja, die Ägide. Wie ich hörte, hat dir eine Missionarin Privatunterricht gegeben. Du solltest also darüber Bescheid wissen.«
Bei diesen Worten lachte Dillon etwas lauter, und einige der anderen Schüler stimmten mit ein. Rahil erinnerte sich an Worte seines Vaters, die nicht an ihn gerichtet gewesen waren, sondern an seinen Sekretär Ruben. Wir sind nach Dymke zurückgekehrt, aber noch immer Ausgestoßene. Es wird Jahre geduldiger Arbeit erfordern, bis wir den alten Status zurückerlangt haben und mehr anstreben können.
Trotz regte sich in Rahil. Er hatte keine Angst vor Dillon und den anderen, auch nicht vor der Tutorin. Sie konnte ihn nicht so bestrafen, wie sie wollte, denn er war ein Tennerit, und seine Familie hatte Einfluss.
Stimmen kamen vom Flur, dumpf, ohne dass man einzelne Worte verstehen konnte. Rahil achtete nicht darauf und dachte an Emily und ihre Schilderungen.
»Ich glaube, es wäre gut, wenn die Ägide zu uns käme«, sagte er. »Sie könnte uns dabei helfen, Fabriken zu bauen, die alles herstellen, was wir benötigen, ohne dass jemand dort arbeiten muss. Ich habe Bilder gesehen. Auf den Welten der Ägide braucht niemand zu hungern. Dort ist niemand arm …«
»Was ist das für ein Unsinn!«, unterbrach ihn die Tutorin. »Welche Flausen hat dir die Missionarin da in den Kopf gesetzt? Ja, Dillon?«, wandte sich Awilda Kossin an den dicken Di, dessen Zeigefinger die Luft durchbohrte.
Das Grinsen blieb in seinem Gesicht, als er sagte: »Die Ägide will mit ihrer überlegenen Technik Einfluss auf uns nehmen und die Entwicklung unserer Zivilisation so steuern, wie es ihr gefällt. Wir hätten überhaupt nichts mehr zu sagen.«
Eine Welt, in der du nichts mehr zu sagen hättest, wäre besser als diese, dachte Rahil. Er öffnete den Mund, um die Ägide zu verteidigen, als die Tür aufsprang und ein Bewaffneter hereinstürmte. Rahil glaubte zuerst, dass er
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