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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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hatten den Rand der Menge erreicht und setzten den Weg langsam in Richtung des Katamarans am Kai fort. Über zwei Rampen gingen Passagiere an Bord.
    Aus den Datenbanken der Rüstung erhielt Rahil Informationen über das Spektakel. Die Nacht des brennenden Meers, so nannten es viele Besucher. Der große Tanz der Aun, hieß es bei den Außenweltlern, die schon seit längerer Zeit auf Eckrote lebten. Auf der Nordhalbkugel fand dieser Tanz dreimal im Jahr statt, und immer lockte er viele Schaulustige an.
    »Der Plan?«, wiederholte Rahil und schob sich an zwei Chormiki vorbei, die mit einem hageren Milwee sprachen. Dahinter standen mehrere junge Menschen mit Volontärsemblemen an der bunten Kleidung und hörten sich die Ausführungen eines virtuellen Fremdenführers an, der über die Fruchtbarkeitszyklen der Aun sprach. »Wir gehen an Bord und schnappen uns eins der Rettungsboote, wenn wir weit genug von der Stadt entfernt sind. Damit nehmen wir Kurs auf eine der Produktionsstationen der Aun. Dort gibt es Fraktale, die uns zum großen Kickout im Orbit bringen.«
    »Und dann? Und dann?«, fragte Sammaccan aufgeregt. Er senkte den Kopf, als sie an mehreren Frauen vorbeikamen. Nach einigen weiteren Schritten sah er scheu zurück, als könnte er es kaum fassen, dass keine der Frauen ein scharfes Wort an ihn gerichtet hatte.
    »Von dort aus geht es weiter nach Heraklon«, sagte Rahil leise, obwohl das Wie noch ungeklärt war.
    Sie reihten sich ein in die Schlange der Wartenden, und als sie sich einer der beiden Rampen näherten, fragte Sammaccan mit gedämpfter Stimme: »Wie kommen wir an den Kontrollen vorbei, Rahil Tennerit?«
    »Kontrollen? Dies ist Eckrote, eine Welt der Bruch-Gemeinschaft. Es gibt genug Ressourcen, und sie stehen allen zur Verfügung.«
    »Jeder kann an Bord gehen, ohne zu bezahlen, ohne kontrolliert zu werden?«
    Verwunderung veränderte das Gesicht des Polymorphen, und für einen Moment trat der jüngere Mann zutage, der offenbar Sammaccans natürliche Gestalt war. Aus dem Augenwinkel beobachtete Rahil die Leute in der Nähe, aber niemand schien etwas bemerkt zu haben.
    »Hier wird nicht bezahlt«, erwiderte er leise. »Hier gibt es kein Geld.« Aber dafür gab es auf Eckrote eine Aura und jede Menge Hightech, sogar primäre Technik, mit der man auch gut getarnte Personen aufspüren konnte. Wenn es ihnen nicht gelang, den Planeten in den nächsten Stunden zu verlassen, würde man sie entdecken. Sie mussten schnell handeln, bevor aus der lokalen Fahndung der Ägide eine globale wurde und alle Kickins und Kickouts, die sich auf und von Eckrote erreichen ließen, mit einer auf die Signaturen der beiden Gesuchten programmierten Bioschranke ausgestattet waren. Wenn das geschah, saßen sie im Barrnoch-System fest.
    Einige Stunden, drei, vielleicht vier, so groß war das Zeitfenster. Daran dachte Rahil, als er zusammen mit Sammaccan über die Rampe ging, hinter einer hochgewachsenen Kzosek, deren Anblick etwas in ihm berührte, das mit Jazmine in Zusammenhang stand. Bevor sich Erinnerungsbilder formen konnten, griff die Rüstung ein, kanalisierte sein Denken und übermittelte ein Warnsignal: Er brauchte dringend etwas zu essen, und zwar etwas Kalorienreiches. Das Empirion war bereits dazu übergegangen, die subkutanen Fettreserven zu verwerten, und die Femtomaschinen hatten ihre Aktivitäten gedrosselt, was dazu führte, dass Rahils Wahrnehmung schrumpfte. Sie hatten viel durchgestanden, und die energetischen Reserven von Rüstung und Femtomaschinen gingen zur Neige. Mattigkeit breitete sich in Rahil aus, als er der Kzosek folgte, und die von der großen Frau mit dem eckigen, zur Hälfte transparenten Kopf geweckten Erinnerungen verhießen nichts Gutes. Es bedeutete, dass sich sein Denken und Fühlen verselbstständigte und nicht mehr allein den Notwendigkeiten der Situation gehorchte. Mit anderen Worten: Er wurde unkonzentriert, ließ sich ablenken.
    Sie brachten die Rampe hinter sich; als sie auf dem etwa hundertfünfzig Meter langen und vierzig Meter breiten Steuerbordrumpf des Katamarans standen, fühlte sich Rahil wie am Hinterkopf berührt und drehte sich um.
    Es warteten noch immer viele Passagiere am Kai, Menschen und andere, im hellen Schein von Lampen wie Sonnen, und hinter ihnen erstreckte sich die schwimmende Stadt, eine von Hunderten auf den weiten Ozeanen von Aun. Viele Gebäude duckten sich dunkel in der Nacht, wie die Rücken schlafender Riesen. Andere reckten sich hell dem Himmel entgegen,

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