Artefakt
hatte wenig gemein mit der Behauptung, daß jede Form von raumzeitlicher Singularität das gleiche vermöchte. Abes Daten ließen den Schluß zu, daß es sich hier so verhielt. Das theoretische Problem bestand darin, Lösungen zu finden, die alle Merkmale dieses Objekts beschrieben und dennoch gestatteten, daß Energieextraktion vorkam. John sah, daß Zaninetti dies bereits erraten hatte. Der Mann dachte schnell.
»Sie werden bald veröffentlichen?«
John war verdutzt. Dann verneigte er sich zu Abe. »Das hängt von dem Mann mit den Daten ab«, sagte er höflich.
»Ich möchte absolut sicher sein«, sagte Abe.
»Aber selbstverständlich«, erwiderte Zaninetti. »Ich achte Ihre Vorsicht.«
»Die interessante Frage ist, wo man veröffentlichen soll?« sagte John.
Zaninetti und Abe runzelten die Stirn. »Ich meine«, fuhr John fort, »handelt es sich hier um ein physikalisches Problem? Oder sollten wir uns mit der archäologischen Rolle des Würfels befassen? Dabei wird Claire mitreden wollen.«
Abe sagte: »Nun, ich weiß, was Sie denken, aber das spaltet sich in zwei Probleme, nicht wahr.« Es war keine Frage.
»Diese Sache hat eine archäologische Seite«, sagte John. »Wir können mit dem Ding nicht nach Belieben experimentieren.«
»Natürlich werden wir den Würfel nicht zerstören«, sagte Abe. Er lächelte Zaninetti an. »Schließlich schirmt uns das Gestein gegen die Gammastrahlen ab.«
»Gewiß, aber Sie müssen mit der Universität Boston und den anderen verhandeln.«
»Keine Sorge«, erwiderte Abe mit Überzeugung. »Sobald allgemein bekannt ist, was wir hier haben, wird es seitens der Universität Boston keine weiteren Schwierigkeiten geben. Heute früh habe ich wieder mit dem Präsidenten gesprochen, und glauben Sie mir, er steht auf unserer Seite. Vorbehaltlos.«
John nickte. Abe war auf den bürokratischen Ebenen ein fähiger Stratege. Vielleicht sollte er die Politik einfach vergessen und sich auf seine Mathematik konzentrieren. Zaninetti hatte die Möglichkeit sofort gesehen.
Tatsächlich, dachte er plötzlich, hatte Zaninetti vielleicht sogar die stillschweigenden Folgerungen gewittert, die sich aus dem Datenmaterial ergaben, an dem er arbeitete. Er konnte nicht annehmen, daß es Zaninetti einfach entgangen sei.
Die Dinge waren jetzt in Bewegung geraten. Zu schnell.
Er verließ die Halle und ging geradewegs zu seinem Büro, ohne zu Mittag zu essen. Es gab mathematische Wege, denen er folgen mußte, sich gabelnde und verzweigende Möglichkeiten, durch die er nur mit Geduld und Intuition finden konnte. Zaninetti hatte ihn jovial behandelt und ein paar Scherze gemacht, hatte tatsächlich seinem Ruf als mitteilsamer und bisweilen überschwenglicher Mensch Ehre gemacht und Abe im Handumdrehen für sich gewonnen. Zaninettis frühe Laufbahn hatte sich auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik abgespielt, wo er das Geschick erlernt hatte, wortkargen Experimentatoren und lakonischen Assistenten benötigtes Datenmaterial abzuringen. Eine Studie der Nationalen Wissenschaftsstiftung hatte einmal gezeigt, daß theoretische Physiker die verbal Geschicktesten der gesamten naturwissenschaftlichen Gemeinde waren, und man hatte daraus die Folgerung gezogen, daß dies in irgendeiner Weise ihre mathematischen Fähigkeiten überlappe. Mathematiker waren eher gut in Musik, aber – so wurde in der Studie argumentiert – die theoretische Physik war eine Art Mittelding, bedurfte mathematischer Geschicklichkeit und physikalischer Intuition. Vielleicht korrelierten diese mit Wortgewandtheit, mutmaßten die Autoren des Berichts. Die Studie hatte freilich nicht die Möglichkeit in Erwägung gezogen, daß gute Redner erfolgreicher waren, weil sie es leichter hatten, Gegner für sich zu gewinnen und benötigte Information zu erhalten.
John wußte genug, um sich eine Weile von allem Gerede und aller Spekulation fernzuhalten. Er brauchte Zeit, um auf einen leeren Schreibblock zu starren und allmählich zu sehen, wohin die verworren scheinenden Implikationen der Gleichungen führten, auf der Suche nach gültigen Mustern, die hinter der komprimierten, täuschend einfachen Niederschrift lagen. Die Gleichungen der Physik waren nicht in der Form kompliziert; tatsächlich waren sie verlockend einfach; ihre komplexe Natur verbarg sich in der geheimnisvollen Notierung.
Die Mandarine der Physik waren jene, die nach den grundlegenden Gesetzen suchten, eine Suche, die sie nach innen zu dem sehr Kleinen oder nach außen
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