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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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keine Verschmelzung zuließ.
    Es war eine sehr eigentümliche Kraft. In der Sprache des Mathematikers war sie vom nicht-Abelschen Typ, ähnlich den Kräften, die subnukleare Partikel wie Quarks regulierten. Die einzigen sichtbaren Lösungen waren nicht die punktförmigen Singularitäten, die der gewöhnlichen Feldtheorie vertraut waren. Sie waren etwas Fremdartiges, mehr wie Windungen in der Raumzeit als Punkte.
    In der Partikelphysik war es üblich, Lösungen mit Quantenzahlen zu etikettieren und diesen Zahlen Namen zu geben, wie »Farbe« und »Zauber«. Gute Terminologie war selten; heutzutage gebrauchte man sogar »Stil« und »Substanz«, um obskure mathematische Aspekte zu beschreiben. John beschloß diese neue Kraft »Mode« zu etikettieren, nur um eine Spur von ironischem Zweifel zu injizieren. Es war schließlich denkbar, daß dies alles durchaus falsch war.
    Die Partikel, die er Einsteins Gleichungen abgerungen hatte, waren massiv, aber die Abstoßungskraft zwischen ihnen kompensierte diese Masse beinahe vollkommen. Fein. Tatsächlich könnte er genausogut die Konfiguration von zwei benachbarten Löchern nehmen und sie ein Partikel nennen, da das alles war, was existieren konnte. Er beschloß, sie Verzerrungen zu nennen. Verzerrungen in der Raumzeit.
    Er hatte bis zum Spätnachmittag gearbeitet, unbeweglich auf seinem altmodischen, gepolsterten Drehsessel aus Walnußholz. Schließlich stand er auf, reckte die steifen Glieder und blickte zum Fenster hinaus, wo die Schatten ineinander flossen und zum ersten Mal hörte er das Brausen des Verkehrs vom Memorial Drive. Er hatte etwas, aber er wußte nicht, was es bedeutete. Oder ob es zufriedenstellend beschrieb, was in Abe Sprangles Halle stand.
    Er begann auf und ab zu gehen. Er wußte, daß er für diesen Tag verbraucht war; niemand konnte einen ermüdeten Verstand zwingen, anstrengende höhere Mathematik zu treiben. Der Verstand verlor einfach seine Schärfe, seine Fähigkeit, logische Ketten zu überblicken und eine Möglichkeit nach der anderen zu durchdenken. Als an seine Tür geklopft wurde, erschrak er, war aber nicht ärgerlich über die Unterbrechung.
    Claire kam mit dem gleichen Elan hereinmarschiert, den sie bei ihrer ersten Begegnung gezeigt hatte. Sie trug ein konservativ geschnittenes, aber modisch rostbraunes Kostüm, aus dem eine rüschenbesetzte, eierschalenfarbene Bluse hervorsah. Ihr Nagellack paßte zur Farbe des Lippenstifts, und sie bewegte sich, als ob sie eine Million Dollar wert wäre. Er hatte das Bild vor Augen, wie sie damals bei ihrem ersten Besuch auf ihn zugekommen war, und es überraschte ihn, als er sich vergegenwärtigte, daß es erst vor ein paar Monaten gewesen war. Es kam ihm wie eine halbe Lebenszeit vor.
    »Alles aufgeräumt«, bemerkte sie fröhlich.
    »Ah, ja«, murmelte er mit schwerer Zunge.
    Sie strahlte und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Gewöhnlich hast du hier ein wüstes Durcheinander.«
    »Ich habe gerechnet. Ich sorge immer für Ordnung in meinen Papieren, wenn sie etwas bedeuten könnten.« Er lehnte sich gegen das Bücherregal und sah zu, wie sie eine der dunkelbraunen Zigaretten mit dem goldenen Mundstück anzündete. Sie kleidete sich immer gut, aber er erkannte die Zeichen von Unsicherheit; innere Gewißheit war umgekehrt proportional zur Menge des Make-up. »Was gibt es?«
    Sie verzog das Gesicht. »Hampton hat eine Akte über mich angelegt.«
    »Um dich wegen Fehlverhaltens entlassen zu können?«
    »Wenn er mich nicht vorher strecken und vierteilen lassen kann.«
    »Die Universitätsverwaltung wird sehen, daß er voreingenommen ist.«
    »Und? Sie sind auf seiner Seite. Einer von ihnen nannte mich heute einen Affront der Universität.«
    »Komm her!« Sie kam, fast widerwillig. Sie umarmten sich, und John schloß die Augen, ließ die Ermüdung des Nachmittags heraus und atmete den Duft ihres Haares. Es waren nicht die Augenblicke, wenn er den Puls in den Schläfen pochen hörte, die ihm am besten gefielen, sondern Augenblicke wie dieser, wenn sie so kostbar und tief schien, daß er niemals ihr innerstes Wesen vermeinte ergründen zu können. Allmählich kam eine nachgiebige Weichheit in sie, und sie schmiegte sich an ihn. Der lange Augenblick zog sich hin, dann küßten sie einander und lösten sich. Sie drückte ihre Zigarette aus.
    »Wenn ich nur wüßte, was ich tun sollte«, sagte sie unbestimmt.
    »Gegenstoß.«
    »Wie?«
    »Hampton ist an die Öffentlichkeit gegangen, hat im Globe alles

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