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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Wahrscheinlichkeit verschlossen. Hampton hatte genug Gewicht, das zu verhindern.
    Boston verlassen… Vielleicht hatte John recht mit seinen Claires Eins und Zwei, und daß sie hier eingeengt sei. Doch sie liebte ihre Heimatstadt. Trotz der Kälte kurbelte sie das Fenster herunter und steckte den Ellbogen hinaus. Zwei Jungen rutschten in der hellen, klaren Luft auf plattgedrückten Wellpappkartons das tote Gras am Rande der Marsch hinunter.
    Boston. Voll von scheinbaren Widersprüchen – je reicher man war, desto fadenscheiniger die Kleider; man ging immer über den Hügel zur Arbeit in die Stadt und ließ Taxis unbeachtet; die Teilnahme an Sinfoniekonzerten war ein geheiligter Brauch wie der Kirchgang, und in der Kirche kam man sich vor wie in der gesetzgebenden Versammlung des Staates; die Kriegsauszeichnungen und Klubmitgliedschaften eines Mannes zählten weit mehr als ein Bankkonto oder seine akademischen Würden. Nichts brauchte ausdrücklich festgestellt zu werden; alles war bekannt. Sie fragte sich, wie es außerhalb Bostons sein würde. Johns Heimweh nach dem Süden ließ darauf schließen, daß die Leute dort ähnlich waren, der Vergangenheit verhaftet. Vielleicht würde es nicht so schlimm sein, anderswo zu leben.
    Auf einmal merkte sie, daß der Gedanke sich ungebeten in ihre Überlegungen gestohlen hatte: John als Die Zukunft. Erschrocken trat sie auf die Bremse. Hinter ihr dröhnte eine Hupe. Bremsen kreischten. Jemand brauste fluchend vorbei.
    Sie war sogar erfreut und erleichtert gewesen, als ihre Mutter am Tag nach dem gemeinsamen Abendessen angerufen und vorsichtig hatte durchblicken lassen, daß sie an John nichts auszusetzen hatte. Fünf Jahre früher hätte Claire das als einen Schlag gegen ihn betrachtet.
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, daran sollte sie nicht denken. Nicht jetzt.
     
    Der Betonboden schien die Wärme nach unten abzuleiten und Kälte auszustrahlen, die sie an den Beinen fühlte, als sie mit klappernden Absätzen durch die Halle kam, deren kahle graue Wände das Echo ihrer Schritte zurückwarfen.
    John saß auf einem Hocker und starrte den Block an. Abe beschäftigte sich mißmutig mit seinen elektronischen Geräten. »Wer ist gestorben?« fragte sie.
    »Meine Hypothese«, antwortete John.
    »Daß es sich um eine Singularität handelt?«
    »Nein, nicht das. Aber ich dachte, die Situation sei statisch, und das ist sie nicht.«
    Sie beugte sich vor, die Hände auf die Knie gestützt, die Füße züchtig beisammen, und spähte zum Kabel der Lichtsonde, wo es in den Stöpsel eindrang. »Was ist passiert?«
    »Abe kann Klümpchen sehen, winzige Körner von Röntgenstrahlen aussendendem Material. Sie fallen entlang diesen Diagonalen in den Kern.«
    Sie richtete sich auf, alarmiert. »Der Würfel fällt in sich zusammen?«
    »Nein, keine Sorge, wir sprechen über wenige Gramm von Materie. Oder Zehntelgramm. Es handelt sich um Materie, die von der Schwerkraft der Singularität angezogen wird und langsam nach innen drängt.«
    »Wie langsam?« fragte sie argwöhnisch.
    »Das ist der interessante Teil. Abe hat diese Körnchen jetzt seit zwei Tagen beobachtet, und sie haben sich ungefähr vier Millimeter bewegt.«
    »Was? Das ist nichts!«
    »So kann man sagen«, meinte er. »Kennst du etwas, was in Zeitlupe niedersinkt?«
    »Federn.«
    »Ja. Was noch?«
    »Ahhh…«
    Seine Augen blitzten. »Ich gebe dir einen Hinweis. Relativistische Effekte.«
    »Was?«
    »Genau. Dieses Ding ist eine Wühlkiste der theoretischen Physik. Wir sehen Materie, durch Reibung aufgeheizt, in die Singularität stürzen. Aber sie ist so tief im potentiellen Schacht, daß sie uns verlangsamt erscheint.«
    Sie sagte vorsichtig: »Du meinst, wie in dem Gedankenexperiment, wo ein Zwilling mit einer Rakete davonfliegt, und wenn er zurückkehrt, ist er jünger als der andere Zwilling, der daheimgeblieben ist? Weil er sich so schnell durch den Raum bewegt hat?«
    »Das ist spezielle Relativität, und dies ist allgemeine Relativität, Krümmung der Raumzeit – aber ja, im Grunde besteht eine Analogie.«
    Abe kam gemächlich herüber. »Wie lange dauert es, bis die Materie den zentralen Punkt erreicht?«
    Johns beiläufige Selbstsicherheit schwand. »Monate, würde ich sagen, wenn die betreffenden Partikel von der inneren Oberfläche des Würfels fallen.«
    »Das könnten wir testen. Lassen wir etwas hineinfallen.«
    »Sicher, das können wir machen. Warum nicht?«
    »Haben wir das nicht schon getan?« sagte Claire. Die

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