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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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weiter an diesem Mörtel herumhacken würde, um zu sehen, was hinter dem Stein ist. Dem einzigen markierten Stein in der ganzen Grabkammer.«
    »Gewiß, ja, es kann alles mögliche geschehen sein…«
    »Das ist das Rätsel.« Er fuhr mit dem Finger die Kreismuster nach, und seine Müdigkeit war wie weggeblasen. »Angenommen, ein Diener wacht auf. Benebelt vom Rausch oder von Drogen. Begreift, wo er ist, weiß, daß ihm nicht viel Zeit bleibt. Er würde doch versuchen, sich einen Weg ins Freie zu bahnen, meinen Sie nicht?«
    »Vielleicht. Aber der Dromos war mit Erde und Geröll gefüllt. Er hätte sich durch vier oder fünf Meter aufwärtsgraben müssen…«
    »Durch frisch eingefülltes Material? Das meiste wäre gleich zur Öffnung hereingerutscht, sobald er die Tür aufgebracht hätte.«
    »Es war ein versiegeltes Grab. Sie hätten mehrere Quader aus der Türöffnung ziehen und sich dann ins Freie hinaufgraben müssen.«
    Er breitete die Hände aus. »Würden Sie es nicht wenigstens versuchen?«
    »Ich schon. Aber ich glaube nicht an ein Weiterleben in einem Jenseits, und mir hat man nicht die ehrenhafte Vorstellung eines rituellen Opfers eingeprägt. Wie ich sagte, die Leute dachten anders.«
    Er hob die Hände mit einer Miene gespielter Ernsthaftigkeit. »Entschuldigen Sie, Sie haben völlig recht, ferne Kultur und all diese gebildeten, großzügigen Überlegungen. Hinterwäldler wie ich sind eben nicht imstande, das in Betracht zu ziehen.«
    Sie lächelte knapp. »Das haben Sie gesagt, nicht ich.«
    »Trotzdem, wenn wir die Theorie der Grabräuber einmal außer acht lassen, kommen wir zu der Folgerung, daß jemand hinauszukommen versuchte.«
    »Gut. Weiter!«
    Er antwortete mit einer übertriebenen Verbeugung, doch als er sich wieder aufgerichtet hatte, führte er die Fingerspitzen wieder über die Linien der Kratzspuren entlang den äußeren Kanten der Steinplatte. Mit schräggehaltener Taschenlampe zeigte er, wo eine Spitze tiefer gebohrt hatte, abgeglitten war und gleich daneben wieder nachgebohrt hatte. »Nachlässige Arbeit. Waren ähnliche Spuren auch am Eingang?«
    »Da müßte ich in den Aufzeichnungen nachsehen. In diesem frühen Stadium der Ausgrabung war Rowland beteiligt, mein Vorgänger hier. Aber… – nein, ich glaube es nicht.«
    »Gut. Dann ist die Frage, warum einer an dieser Platte herumhackt, wenn er hinaus will?«
    »Um zu dem natürlichen Höhlengang zu gelangen, den wir gefunden haben.«
    »Aber Sie und George sagten, der Höhlengang sei noch nicht dagewesen, als das Grab erbaut wurde. Andernfalls hätten sie niemals so nahe daran gebaut.«
    »Nun… vielleicht.«
    »Kommen Sie, folgen Sie meiner Prämisse! Die Diener, arme Leute, die in völliger Finsternis gefangen sind, wissen, daß ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt. Warum Versuchten sie also diese Platte zu entfernen?«
    »Das Wasser?«
    Er schlug mit der flachen Hand auf den Stein. »Jedenfalls wollten sie etwas. Und was ist hinter der Platte? Nichts außer diesem Steinklotz.«

 
5
     
    Am selben Abend machte Claire eine weitere wichtige Entdeckung. John war nach einem hastigen Abendessen zum Grab zurückgekehrt, wo er noch eine oder zwei Stunden arbeiten wollte, bevor der Schlaf sein Recht verlangte. Claire half ihm, wo sie konnte, aber er überredete sie, ihn seiner Elektronik zu überlassen. Sie machte eine Anzahl Aufnahmen von dem Raum hinter dem Kalksteinwürfel, dann ging sie unruhig unter der Grabkuppel auf und ab.
    »Seien Sie so gut, Claire, und setzen Sie sich irgendwo hin!« sagte John nervös.
    »Ich denke gerade daran, daß wir den Klotz noch nicht bewegt haben.«
    »Er ist zu schwer.«
    »Nicht, wenn Sie und George helfen. Ich würde mir gern die linke Seite vornehmen und sehen, ob es Markierungen gibt.«
    »Gute Idee«, sagte John erleichtert.
    Sie brauchte eine Stunde, um Schutzpolster anzubringen und die richtigen Ansatzpunkte für die Hebel zu kennzeichnen. Dann stemmten die Männer sich langsam in die Hebelarme und konnten den Block grunzend vor Anstrengung eine Handbreit seitwärts bewegen.
    »Keine Markierungen«, sagte Claire enttäuscht, nachdem sie mit der Taschenlampe in die Lücke geleuchtet hatte. »Nur Staub – nein, Moment!«
    Nach einer weiteren halben Stunde des Messens und Fotografierens zog sie das Ding heraus. Es war ein quadratisches Elfenbeinplättchen, dünn und mit einer Kantenlänge von kaum fünf Zentimetern. Die Oberfläche zeigte eine schwache, in Jahrtausenden verblaßte Zeichnung oder

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