Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition)
eigenen Interesse, in dem künftiger menschlicher Generationen – und im Interesse heute lebender Tiere. Was Ökoethiker auf das Wohl der Menschen und der Umwelt beziehen, lautet aus tierethischer Sicht leicht variiert: Wir müssen anderen Tierarten Raum lassen. Die Erde gehört nun einmal nicht uns allein, wir dürfen uns auf ihr nicht (weiterhin) so ausbreiten, als sei es so. Zuallererst müssen wir es uns wohl zurfesten Gewohnheit machen, überhaupt an die anderen zu denken, deren Lebensraum wir nutzen oder vernutzen. Denn momentan gilt ja noch die Devise: Was der Mensch will, darf er sich nehmen, es sei denn, er schadet einem anderen Menschen damit. Doch das ist nicht richtig. Wir mussten uns in den letzten Jahrzehnten angewöhnen, allgemeine Umweltfolgen zu berücksichtigen (was allerdings auch nur unzureichend geschieht), und ebenso müssen wir die vielen anderen Tiere miteinbeziehen.
Praktisch gesehen bedeutet das, dass wir unsere ungehemmte Siedlungsaktivität eindämmen, unseren Landverbrauch für Ernährung und Produktion drosseln und unseren Ressourcen- und Energieverbrauch herunterfahren sollten; und das würde offensichtlich auch einige Veränderungen für unsere individuellen Lebensweisen bedeuten. Donaldson und Kymlicka schlagen vor, dass wir dazu alle Habitate, die derzeit nicht von Menschen besiedelt oder erschlossen sind, als Territorium der dort lebenden Tiere ansehen sollen. «Diese Gebiete werden derzeit von wildlebenden Tieren bewohnt, und wir haben nicht das Recht, die eingebürgerten Bewohner dieser Räume zu kolonisieren oder zu verdrängen. Das bedeutet im Grunde das Ende der weiteren Ausdehnung menschlicher Siedlungstätigkeit.»[ 25 ] Ich weiß nicht, ob diese Folgerung plausibel und ob sie zwingend ist. Plausibel insofern nicht ganz, als wir auch mit einer Fabrik, die wir auf längst zubetoniertem menschlichem «Territorium» bauen, die Luft anderer Territorien verschmutzen (können). Die ökologischen Komplexe der Erde lassen sich nicht einfach nach Gebieten aufteilen (was Donaldson und Kymlicka natürlich auch bewusst ist).
Zwingend ist die Folgerung deshalb nicht, weil auch Wachstum zum menschlichen Leben gehört und damit der Wunsch nach Gestaltung unserer Umwelt. Diese menschlichen Tätigkeiten ganz unterbinden zu wollen, scheint mir eine zu starke Einschränkung zu sein, zumal wenn wir dieseForderung für alle Menschen in aller Welt erheben würden. Menschen, die heute kein festes Haus haben, sondern auf einer Müllhalde unter Plastikplanen leben, haben gewiss das Recht, sich anderswo ein Haus zu bauen! Dennoch folgt daraus nicht, dass grenzenloses Wachstum und unbekümmerte Nutzung und Plünderung aller Landschaften und Weltmeere zulässig sind. Nur scheint mir, dass über die Grenze zwischen zulässig und unzulässig nicht apodiktisch oder im gleichsam moralisch-philosophischen Monolog, sondern nur im Rahmen vieler politischer (demokratischer) Debatten und Abwägungsprozesse entschieden werden kann.
Über diesen rein quantitativen Aspekt hinaus – wir sollten weniger raumgreifend leben – gibt es aber vielleicht auch eine qualitative Bestimmung dessen, was wir unserer gemeinsamen Umwelt nicht oder nicht mehr unbekümmert antun dürfen. Dazu müssen wir uns zunächst klar machen, dass auch wir den anderen Tieren mit vielen unserer Handlungen als Umweltfaktoren gegenübertreten. Wenn wir Mais anbauen, haben wir Wildschweinen neue Nahrungsgrundlagen geschaffen. Wenn wir Flüsse begradigen, zerstören wir Laichplätze. Doch auch der Biber beeinflusst mit seinen Staudämmen und Flutungen das Leben anderer Tiere; eine Schleiereule ist für die kleinen Nager in ihrer Umgebung keine Freude, sondern eine Gefahr. Und so kann man viele Veränderungen, die wir Menschen an der Umwelt vornehmen, mit einer Art Erdrutsch, Überschwemmung, mit Beutezügen oder schlimmstenfalls Seuchen vergleichen: Sie zerstören Lebensraum und schaffen gleichzeitig Platz für neues Leben.
Es scheint aber auch Materialien zu geben, mit denen die Natur (das heißt in diesem Zusammenhang: der Komplex der Pflanzen- und Tierwelt in einer Gegend) schlechthin nicht umgehen kann und unter denen alle dort ansässigen Tiere leiden. Zu denken ist an Materialien, die nicht abbaubar sind, und Stoffe, die viele Lebensformen auf einmal vergiften.Zum Beispiel hilft Kunststoffmüll im Meer überhaupt niemandem, genauso wenig das Dioxin, das aufgrund der Verbrennung von Kunststoffen etc. in die Luft gelangt und durch den
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