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Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition)

Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition)

Titel: Artgerecht ist nur die Freiheit: Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen (Beck'sche Reihe / Beck Paperback) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilal Sezgin
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auf, sondern entlastet uns auch von etlichen anderen. Es kann erleichternd sein zu wissen, dass wir nicht verpflichtet sind, die ganze Welt unter unsere Fittiche zu nehmen, in unsere Hightechfantasien oder unsere Gentechniklabors einzuschließen.
Schritte in Richtung einer Umweltethik
    Auf
policing nature
zurückblickend, lässt sich also sagen: Die Aufgabe der Tierethik liegt nicht darin, es allen Tieren auf der Welt «gut gehen» zu lassen, sondern es geht darum, wie wir mit den Tieren verfahren sollen, mit denen wir in Interaktion treten. – Aber greifen wir nicht auch in das Leben wilder Tiere ein, ständig und indirekt? Unberührte Natur gibt es wie gesagt kaum, und damit auch wenige von uns vollkommen unbehelligte Tiere. Im Pazifik kreist der Müll der Zivilisation in endlosen Strudeln; ausgewachsene Schildkröten tragen Plastikringe um den Hals, in denen sie sich als Jungtiere verfangen haben, und Seevögel füttern ihren Nachwuchs mit Kunststoffbröckchen. Eisbären müssen viele Kilometer zusätzlich schwimmen, um wieder festes Eis unter die Pranken zu bekommen; Wildschweine nehmen aus dem Waldboden radioaktive Partikel auf, die aus Tschernobyl oder von anderen Atomunfällen stammen. Und so haben wir, auch unabhängig von den dramatischen Rodungen in Brasilien oder auf Borneo, etliche Lebensräume wenn nicht zerstört, so doch zum Nachteil ihrer tierischen Bewohner verändert. Inwieweit tragen wir denn nun dafür Verantwortung?
    Die Antwort hierauf ist schwierig, unter anderem weil die Wege der Beeinflussung und Beeinträchtigung so unterschiedlich sind: direkt oder indirekt, wissentlich oder unwissentlich, fahrlässig, grob fahrlässig oder als Nebeneffekt völlig legitimer menschlicher Handlungen. Die bereits erwähnte Clare Palmer widmet sich in ihrem Buch
Animals in Context
zahlreichen Fällen, auch so diffizilen Problemen wie dem Straßen- und Siedlungsbau, und unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Kontexten der Verantwortung. Ob und welche Verantwortung wir für frei lebende Tiere in Not haben, hängt unter anderem davon ab, in welcherWeise wir kausal für diese Notlage verantwortlich sind.[ 20 ]
    Manche Maßnahmen liegen nahe. Aufgrund des menschlichen Verkehrs zum Beispiel kommen jedes Jahr allein in Deutschland Millionen von Wildtieren, große und kleine, Säugetiere und Vögel, bei Kollisionen ums Leben.[ 21 ] Viele dieser Todesfälle könnte man allein dadurch vermeiden, dass man die Geschwindigkeit innerhalb und außerhalb von Ortschaften herabsetzen würde; indem man die Ausstattung mit Wildzäunen verbessern und viel mehr Grünbrücken bauen würde. (Sogar der ADAC fordert mehr Grünbrücken, und wenn der ADAC etwas fordert, das autofahrenden Bürgern zusätzliche Kosten verursachen würde, muss die Lage schon dringlich sein – vermutlich auch für Autos und Bürger.) Natürlich würde dies einige Mühen bedeuten, ein gewisses Umdenken sowie Kosten. Aber es ist noch gar nicht so lange her, dass Naturschützer begannen, Krötenzäune zu errichten – was man bestenfalls für extrem engagiert und aufopferungsvoll, meistens aber auch für ein wenig bizarr hielt. Heute sind Krötenzäune weit verbreitet, man kann sie bei Naturschutzverbänden und manchmal sogar privatwirtschaftlichen Firmen, die sie sponsern, bestellen. Als es in unserer Gegend jüngst eine Krötenzaunknappheit gab, trafen sich jeden Abend Anfang Mai etliche Bewohner meines Dorfes an dem Straßenabschnitt zwischen zwei Teichen, um Kröten über die Straße zu tragen, und vorbeifahrende Autos hielten ganz selbstverständlich an. Eine Nachbarin trug in einer einzigen Nacht 142 Kröten hinüber!
    Doch nicht immer lässt sich so genau erkennen, wer die von unseren Handlungen betroffenen wild lebenden Tiere eigentlich sind; genau das macht die Frage nach der Verantwortung ihnen gegenüber so schwierig, insbesondere natürlich in der Vorausschau. Wenn wir eine neue Straße oder ein Haus bauen – wie sollen wir ermessen, wie viele und welche Tiere allein durch den Bau getötet oder beeinträchtigt werden?Das Problem hierbei liegt nicht allein in der technischen Unmöglichkeit, alle Tiere einzeln zu zählen, sondern bereits in den natürlichen Vorgängen selbst: Populationen schwanken stark, sind abhängig vom Wetter, von der Futtersituation, von Feinden (und wiederum deren Populationsschwankungen), von Krankheiten; oft bauen sich Populationen wild lebender Tiere über Jahre bis zu einer gewissen Fülle auf und brechen dann wieder

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