Arthur & George
acht Jahren verurteilt –, auf das Dach zu klettern, von wo aus er der Welt verkündete, er sei der Sohn Gottes. Der Gefängnisgeistliche erbot sich, auf eine Leiter zu steigen und die theologischen Weiterungen zu erörtern, doch der Gefängnisdirektor meinte, hier wolle sich nur wieder jemand nach Parkhurst verlegen lassen. Schließlich hungerte man ihn aus und steckte ihn in den Bau. C 183 gab am Ende zu, dass er der Sohn eines Schankkellners war und nicht der eines Zimmermanns.
Als George ein paar Monate in Portland war, gab es einen Ausbruchsversuch. Zwei Männer – C 202 und B 178 – hatten in ihrer Zelle eine Brechstange verstecken können; sie durchstießen die Decke, gelangten mit Hilfe eines Seils in den Hof und erklommen eine Mauer. Als das nächste Mal »Mützen raus!« gerufen wurde, brach ein Tumult aus: zwei Mützen fehlten. Erst wurden die Mützen nachgezählt, dann die Männer selbst. Die schwarze Fahne wurde aufgezogen, die Kanone abgefeuert und die Häftlinge einstweilen eingesperrt. George machte das nichts aus, auch wenn er sich weder von der allgemeinen Aufregung anstecken ließ, noch sich an den Wetten über den Ausgang beteiligte.
Die beiden Männer hatten etliche Stunden Vorsprung, aber die Stammgäste waren der Ansicht, sie würden sich bis zum Einbruch der Dunkelheit versteckt halten und erst dann versuchen, aus dem Gefängnis herauszukommen. Doch als man die Hunde auf dem Gelände losließ, wurde B 178 schnell entdeckt; er hatte in einem Arbeitsschuppen Unterschlupf gesucht und verfluchte seinen Kn ö chel, den er sich beim Sprung vom Dach gebrochen hatte. Die Suche nach C 202 dauerte länger. Auf allen Anhöhen um Chesil Beach wurden Posten aufgestellt; Boote wurden zu Wasser gelassen für den Fall, dass der Entflohene schwimmend entkommen wollte; Soldaten riegelten die Weymouth Road ab. Steinbrüche wurden abgesucht und das Außengelände durchkämmt. Doch weder die Soldaten noch die Gefängniswärter fanden C 202 ; er wurde gefesselt von einem Gastwirt angeschleppt, der ihn in seinem Keller aufgespürt und mit Hilfe eines Rollkutschers überwältigt hatte. Der Gastwirt bestand darauf, ihn in der Aufnahme des Gefängnisses abzuliefern und einen Schuldschein über die Summe von £ 5 für seine Ergreifung zu erhalten.
Die Aufregung unter den Häftlingen wich der Enttäuschung, und eine Zeitlang wurden die Zellen häufiger durchsucht. Das war für George ein größerer Einbruch in sein Leben als in Lewes; nicht zuletzt deshalb, weil die Durchsuchungen in seinem Fall völlig sinnlos waren. Zuerst kam der Befehl zum »Aufknöpfen«, dann wurde der Häftling von den Beamten »abgerieben«, um sicherzustellen, dass nichts in seiner Kleidung verborgen war. Sie tasteten ihn am ganzen Körper ab, schauten in seine Hosentaschen und nahmen sogar sein Taschentuch auseinander. Für die Häftlinge war das eine peinliche Prozedur, und George meinte, sie müsse den Beamten zuwider sein, da die Kleidung vieler Insassen von der Arbeit schmutzig und verschmiert war. Einige Beamte gingen dabei sehr gründlich vor, während andere auch dann nichts gemerkt hätten, wenn der Gefangene einen Hammer und einen Meißel am Körper verborgen hätte.
Dann gab es das »Umdrehen«, bei dem die Zelle anscheinend systematisch verwüstet wurde; Bücher wurden von ihrem Platz gefegt, das Bett zerwühlt und potenzielle Verstecke durchstöbert, auf die George von allein nie gekommen wäre. Bei weitem das Schlimmste jedoch war das »Trockenbad«. Man wurde ins Badehaus geführt und musste sich auf die Holzlatten stellen. Man zog sich bis aufs Hemd aus. Jedes Teil wurde minuziös von den Beamten untersucht. Dann musste man sich Demütigungen aussetzen – die Beine heben, sich vorbeugen, den Mund aufmachen, die Zunge herausstrecken. Manchmal wurden Trockendurchsuchungen systematisch angeordnet, manchmal aufs Geratewohl. George schätzte, dass er diese Erniedrigung mindestens so oft zu ertragen hatte wie andere Häftlinge. Vielleicht hatte man es für ein Täuschungsmanöver gehalten, als er sagte, er habe keine Lust zu fliehen.
Und so vergingen die Monate, dann das erste Jahr, dann ein großer Teil des zweiten. Alle sechs Monate machten seine Eltern die lange Reise aus Staffordshire und durften unter den Augen eines Wärters eine Stunde mit ihm zusammen sein. Diese Besuche waren für George eine Qual: Nicht, weil er seine Eltern nicht liebte, sondern weil er es nicht ertragen konnte, sie leiden zu sehen. Sein Vater
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