Arthur & George
kommt. Wenn Waller wünscht, dass diese Frau seiner Tafel vorsitzt, dann soll er seinen Willen haben, aber die Herrin des Hauses wird deren Autorität an der Tafel nicht anerkennen. Mrs Waller widmet sich mehr und mehr ihren Siamkatzen und einem Rosengarten, der so akkurat angelegt ist wie ein Exerzierplatz oder ein Gemüsebeet. Bei einer kurzen Begegnung mit Arthur zeigte sie sich ebenso schüchtern wie reserviert: Dass er aus Edinburgh stammt und sie aus St. Andrews, ist noch lange kein Grund zur Vertraulichkeit, schien ihr Verhalten zu sagen.
Und so sitzen sie zu viert – Waller, die Mama, Arthur und Jean – zusammen bei Tisch. Essen wird aufgetragen und abgeräumt, Gläser funkeln im Kerzenschein, man spricht über Bücher, und alle tun so, als wäre Waller noch Junggeselle. Von Zeit zu Zeit nimmt Arthur die Umrisse einer Katze wahr, die an der Wand entlangschleicht und sicheren Abstand zu Wallers Stiefel hält. Eine sich schlängelnde Gestalt, die geschmeidig durch das Dämmerlicht huscht wie das Schattenbild einer sich diskret entfernenden Ehefrau. Ob jede Ehe ihr verdammtes Geheimnis hat? Ob es im tiefsten Innern denn gar nichts Offenes und Ehrliches gibt?
Dennoch hat Arthur sich schon lange mit Waller abgefunden. Und da er nicht ständig mit Jean zusammen sein kann, spielt er bereitwillig mit Waller Golf. Für einen gelehrten Mann von kleinem Wuchs ist der Herr von Masongill House ein ganz passabler Golfer. Natürlich mangelt es ihm an Distanzgefühl, doch er ist zugegebenermaßen ordentlicher als Arthur, der immer noch dazu neigt, den Ball in unwahrscheinliche Richtungen zu befördern. Vom Golfspiel abgesehen, bieten Wallers Wälder eine anständige Jagd auf Rebhühner, Moorhühner und Saatkrähen. Außerdem gehen die beiden Männer gemeinsam auf Frettchenjagd. Gegen ein Entgelt von fünf Shilling kommt der Fleischerssohn mit seinen drei Frettchen und lässt sie den ganzen Morgen zu Wallers Zufriedenheit stöbern, wobei sie die Füllung für viele Kaninchenpasteten aufscheuchen.
Doch dann kommen die Stunden des Lohns für diese braven Pflichtübungen – die Stunden allein mit Jean. Sie fahren mit dem Ponywagen der Mama in die umliegenden Dörfer; sie erkunden die Hügel, die Moore und die schroffen Täler nördlich von Ingleton. Obwohl es für Arthur nie leicht ist, hierher zurückzukehren – es liegt für immer ein Schatten von Menschenraub und Verrat über der Gegend –, spielt er die Rolle des Touristenführers ganz selbstverständlich und mit Leib und Seele. Er zeigt Jean das Twiss Valley und die Pecca Falls, die Schlucht der Doe und die Beezley Falls. Er sieht sie unerschrocken auf einer Brücke achtzehn Meter über der Yew Tree Gorge stehen. Sie steigen zusammen auf den Ingleborough, und er kann sich nicht gegen das Gefühl wehren, dass es schön ist, wenn ein Mann eine gesunde junge Frau an seiner Seite hat. Er will keine Vergleiche anstellen, niemandem Vorwürfe machen, er ist nur dankbar, dass sie nicht ständig hinderliche Erholungspausen einlegen müssen. Auf dem Gipfel spielt er den Archäologen und weist sie auf die Überreste der Brigantischen Festung hin; dann den Topographen, als sie gen Westen nach Morecambe, zum St. George’s Channel und zur Isle of Man hin schauen, während fern im Nordwesten gerade noch die Berge des Lake Districts und die Cumbrian Mountains zu erkennen sind.
Einschränkungen und unangenehme Momente sind unvermeidlich. Selbst wenn sie fern von zu Hause sind, muss die Schicklichkeit gewahrt werden; Arthur ist auch hier eine bekannte Persönlichkeit, und die Mama hat eine Stellung in der hiesigen Gesellschaft inne. Darum bedarf es mitunter eines mahnenden Blicks, damit Jean einer gewissen Neigung zu freimütigen Gefühlsäußerungen nicht allzu sehr nachgibt. Und obwohl Arthur seine Zuneigung hier offener zum Ausdruck bringen darf, kann er sich nicht immer so fühlen, wie es sich für einen Liebenden gehört – als sei er ein neu erschaffener Mensch. Eines Tages fahren sie durch Thornton, Jean hat ihre Hand auf seinen Arm gelegt, die Sonne steht hoch am Himmel, und vor ihnen liegt ein Nachmittag zu zweit allein. Da sagt sie:
»Was für eine hübsche Kirche, Arthur. Halt an, lass uns hineingehen.«
Zuerst stellt er sich taub, dann erwidert er ziemlich steif: »So hübsch ist sie gar nicht. Nur der Turm ist noch ursprünglich erhalten. Das meiste andere ist nicht älter als dreißig Jahre. Es ist alles nur restauratorisches Blendwerk.«
Jean beharrt nicht auf
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