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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Einmal im Jahr eine weiße Blume für Jean, und das ganze Jahr über fromme Lügen für seine Frau.
    Währenddessen nimmt Arthurs Ruhm stetig zu. Er verkehrt in Clubs, man lädt ihn zum Essen ein, er ist eine Person des öffentlichen Lebens. Er wird eine Kapazität über die Welt der Literatur und der Medizin hinaus. Er kandidiert als Liberal Unionist im Wahlkreis Edinburgh Central für das Parlament und tröstet sich über seine Niederlage mit der Erkenntnis hinweg, dass die Politik eben ein schmutziges Geschäft ist. Man fragt ihn nach seiner Meinung, man zählt auf seine Unterstützung. Er ist beliebt. Er wird noch beliebter, als er sich widerstrebend dem Willen der Mama wie auch der britischen Leserschaft fügt: Er lässt Sherlock Holmes wieder auferstehen und schickt ihn auf die Spur eines gigantischen Hundes.
    Als der Burenkrieg ausbricht, meldet Arthur sich freiwillig als Sanitätsoffizier. Die Mama tut alles, um ihn davon abzubringen: Aufgrund seiner Körpergröße ist er ein leichtes Ziel für die burische Kugel, und im Übrigen hält sie den Krieg für nichts anderes als eine ehrlose Balgerei um Gold. Arthur ist anderer Meinung. Es ist seine Pflicht, ins Feld zu ziehen; er gilt als der Mann, der – von Kipling abgesehen – in England den größten Einfluss auf junge Männer hat, vor allem auf sportliche junge Männer. Außerdem meint er, dieser Krieg sei die eine oder andere fromme Lüge wert: Die Nation nimmt einen Kampf auf, der ein gerechter Kampf ist.
    Er schifft sich in Tilbury auf der Oriental ein. Cleeve, der Butler aus Undershaw, wird sich bei diesem Abenteuer um ihn kümmern. Jean hat seine Kabine mit Blumen gefüllt, will aber nicht kommen und ihm Lebewohl sagen; einen Abschied inmitten der wimmelnden und lärmenden Fröhlichkeit eines Truppentransports steht sie nicht durch. Als die Sirene die Besucher auffordert, von Bord zu gehen, sagt ihm die Mama mit verkniffenem Mund auf Wiedersehen.
    »Ich wünschte, Jean wäre gekommen«, sagt er wie ein kleiner Junge in einem viel zu großen Anzug.
    »Sie ist in der Menge«, antwortet die Mama. »Irgendwo. Versteckt. Sie traue ihren Gefühlen nicht, sagte sie.«
    Und damit geht die Mama. Arthur eilt an die Reling, wütend und ohnmächtig; er schaut der weißen Haube seiner Mutter nach, als könnte sie ihn zu Jean führen. Die Gangway wird fortgezogen, die Leinen werden losgemacht; die Oriental legt ab, die Sirene dröhnt, und Arthur sieht nichts und niemanden durch seine Tränen. Er legt sich in seiner blumenduftenden Kabine aufs Bett. Das Dreieck, das Dreieck mit den eisernen Schranken wirbelt in seinem Kopf herum, bis es mit Touie an der Spitze zur Ruhe kommt. Touie, die dieses Vorhaben so umgehend und hingebungsvoll gebilligt hat, wie sie seit jeher alle seine Unternehmungen billigte; Touie, die ihn bat zu schreiben, aber nur, wenn er Zeit habe, und die keine weiteren Umstände machte. Die liebe Touie.
    Während der Überfahrt hellt sich seine Stimmung langsam auf, da er immer besser begreift, warum er hier ist. Aus Pflichtgefühl und um ein Beispiel zu geben, natürlich; aber auch aus egoistischen Gründen. Er ist ein verzärtelter, gut versorgter Mensch geworden, der einer geistigen Reinigung bedarf. Er hat sich zu lange sicher gefühlt, hat seinen Mumm verloren und braucht die Gefahr. Er war zu lange unter Frauen, hat sich von ihnen zu sehr verwirren lassen und sehnt sich nach der Männerwelt. Als die Oriental auf den Kapverden anlegt, um Kohle zu laden, organisiert die Middlesex Yeomanry auf dem ersten Stück flachen Bodens umgehend ein Cricketmatch. Arthur sieht sich das Spiel – gegen die Angestellten der Telegraphenstation – mit freudigem Herzen an. Es gibt Regeln für das Vergnügen und Regeln für die Arbeit. Regeln, Befehle, die gegeben und empfangen werden, und ein klares Ziel. Dafür ist er hier.
    In Bloemfontein stehen die Lazarettzelte auf dem Cricketplatz, der Pavillon dient als Hauptgebäude. Arthur sieht viel Sterben; allerdings fordert der Typhus mehr Opfer als die burischen Kugeln. Er nimmt fünf Tage Urlaub, um mit der vorrückenden Armee nach Norden zu ziehen, über den Fluss Vet hinweg Richtung Pretoria. Auf dem Rückweg wird sein Trupp südlich von Brandfort von einem Basuto auf einem klapprigen Pferd angehalten, der ihnen berichtet, in etwa zwei Stunden Entfernung liege ein verwundeter britischer Soldat. Der Bursche wird für einen Florin als Führer angeheuert. Sie reiten lange durch Maisfelder, dann weiter über das Veld.

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