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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Er tat so, als wisse er etwas. Er hätte mir das Ding wohl kaum gezeigt, wenn er es selbst gewesen wäre, nicht wahr? Und ich kannte ihn doch schon mein Leben lang. Er war etwas wild, wie mein Mann schon sagte, doch nachdem er auf See war, hatte er sich gefangen. Er hatte sich verlobt und wollte heiraten. Nun, inzwischen ist er verheiratet. Aber er war der Polizei bekannt, und ich dachte, wenn ich hingehe und denen das erzähle, dann hängen sie ihm ein Verfahren an, egal, welche Beweise es gibt.«
    Ja, dachte Arthur; und weil du geschwiegen hast, haben sie stattdessen George ein Verfahren angehängt.
    »Ich begreife trotzdem nicht, warum du mir nichts davon erzählt hast«, sagte Mr Greatorex.
    »Weil – weil du immer strenger zu dem Jungen warst als ich. Und ich wusste, du würdest voreilige Schlüsse ziehen.«
    »Schlüsse, die wahrscheinlich ganz richtig gewesen wären«, antwortete er mit einiger Schärfe.
    Arthur mischte sich wieder ein. Ihren Ehestreit konnten sie später ausfechten. »Mrs Greatorex, was für ein … Gerät war das denn?«
    »Die Klinge war etwa so lang.« Sie zeigte es: also ungefähr dreißig Zentimeter. »Und sie ließ sich in ein Gehäuse einklappen, wie ein riesengroßes Taschenmesser. Es war kein landwirtschaftliches Gerät. Aber das Schrecklichste war die Klinge. Sie hatte eine Wölbung.«
    »Sie meinen so wie ein Krummsäbel? Oder wie eine Sichel?«
    »Nein, nein, die Klinge selbst war gerade, und die Spitze war überhaupt nicht scharf. Aber gegen Ende hin war ein Teil nach außen gewölbt, und das sah äußerst scharf aus.«
    »Könnten Sie es uns aufzeichnen?«
    »Aber sicher.« Mrs Greatorex zog eine Küchenschublade auf und zeichnete freihändig und ohne zu zögern eine Skizze auf ein Blatt liniertes Papier:

    »Hier ist es stumpf, und da auch, in dem geraden Teil. Und da, an der Wölbung, ist es entsetzlich scharf.«
    Arthur sah die anderen an. Mr Greatorex und Harry schüttelten den Kopf. Alfred Wood drehte die Zeichnung zu sich herum und sagte: »Ich wette zwei zu eins, dass das eine Pferdelanzette ist. Eine ziemlich große. Ich vermute, er hat sie auf dem Viehtransporter gestohlen.«
    »Siehst du«, sagte Mrs Greatorex. »Dein Freund zieht sofort voreilige Schlüsse. Genau wie die Polizei es getan hätte.«
    Dieses Mal konnte Arthur sich nicht zurückhalten. »Stattdessen hat sie voreilige Schlüsse über George Edalji gezogen.« Diese Bemerkung trieb Mrs Greatorex wieder die Röte ins Gesicht. »Und verzeihen Sie die Frage, Ma’am, aber haben Sie nicht daran gedacht, der Polizei später von diesem Gerät zu berichten – als George angeklagt wurde?«
    »Ich habe daran gedacht, ja.«
    »Aber nichts getan.«
    »Sir Arthur«, erwiderte Mrs Greatorex. »Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie zur Zeit der Verstümmelungen hier in der Gegend waren. Es herrschte allgemeine Hysterie. Es gab Gerüchte über diesen und jenen. Gerüchte über eine Great-Wyrley-Bande. Gerüchte, nach den Tieren würde sie sich junge Frauen vornehmen. Gerede über heidnische Opfer. Manche sagten, es habe alles mit dem Neumond zu tun. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein, Roydens Frau hat mir einmal erzählt, er sei bei Neumond immer so merkwürdig.«
    »Das stimmt«, sagte ihr Mann nachdenklich. »Es ist mir auch aufgefallen. Bei Neumond hat er immer so irre gelacht. Zuerst dachte ich, er spielt nur Theater, aber ich habe ihn auch so lachen hören, wenn niemand dabei war.«
    »Aber begreifen Sie denn nicht …«, begann Arthur.
    Mrs Greatorex fiel ihm ins Wort. »Lachen ist kein Verbrechen. Nicht einmal irres Lachen.«
    »Aber haben Sie nicht gedacht …?«
    »Sir Arthur, ich halte nicht viel von der Intelligenz und den Fähigkeiten der Staffordshire Constabulary. Ich glaube, in dieser Hinsicht sind wir uns wohl einig. Und wenn es Ihnen zu schaffen macht, dass Ihr junger Freund zu Unrecht im Gefängnis saß, dann hat es mir zu schaffen gemacht, dass Royden Sharp dasselbe passieren könnte. Womöglich wäre Ihrem Freund das Zuchthaus gar nicht erspart geblieben, sondern sie wären beide hinter Gitter gekommen, weil sie angeblich derselben Bande angehörten, ob es die nun gab oder nicht.«
    Arthur beschloss, das so hinzunehmen. »Und was ist mit der Waffe? Haben Sie ihm gesagt, er solle sie vernichten?«
    »Natürlich nicht. Wir haben bis heute nie wieder davon gesprochen.«
    »Darf ich Sie dann bitten, Mrs Greatorex, dieses Schweigen noch ein paar Tage zu bewahren? Und eine letzte Frage. Sagen Ihnen die

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