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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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wissen wir alles. Und das innerhalb eines Tages. Wynn, Greatorex, Mrs Greatorex – und damit ist die Sache erledigt. Wir können es zwar noch nicht beweisen, aber wir wissen es. Und das innerhalb eines Tages.«
    »Das darf eigentlich nicht sein«, sagte Arthur. »Ich sollte das wissen. Ich habe es oft genug beschrieben. Es darf nicht sein, dass einfache Schritte zum Ziel führen. Alles muss bis zum Ende ganz und gar unlösbar erscheinen. Und dann wird der Knoten mit einer glänzenden Deduktion gelöst, vollkommen logisch und dennoch verblüffend, und man hat ein ungeheures Gefühl des Triumphs.«
    »Und das haben Sie nicht?«
    »Jetzt? Nein, ich bin fast enttäuscht. Ja, ich bin tatsächlich enttäuscht.«
    »Nun«, sagte Wood, »einer schlichteren Seele müssen Sie ein Gefühl des Triumphs gestatten.«
    »Aber gern.«
    Später, als Arthur eine letzte Pfeife geraucht hatte und zu Bett gegangen war, lag er noch wach und dachte darüber nach. Er hatte sich einem Problem gestellt, und heute hatte er es bewältigt; und doch empfand er keinen Jubel. Stolz vielleicht, und diese besondere Wohligkeit der Ruhe nach getaner Arbeit, aber kein Gefühl des Glücks, geschweige denn des Triumphs.
    Er erinnerte sich an den Tag seiner Hochzeit mit Touie. Natürlich hatte er sie geliebt, und in jenem frühen Stadium war er völlig vernarrt in sie gewesen und konnte den Vollzug der Ehe nicht erwarten. Doch als sie dann heirateten, in Thornton-in-Lonsdale mit diesem Waller an seiner Seite, da hatte er ein Gefühl von … wie sollte er es ausdrücken, ohne ihr Andenken zu beleidigen? Er war nur insoweit glücklich gewesen, als sie glücklich aussah. Das war die Wahrheit. Später natürlich, schon ein, zwei Tage später, empfand er das Glück, das er sich erhofft hatte. Doch im eigentlichen Moment viel weniger als erwartet.
    Vielleicht hatte er deshalb an jedem Wendepunkt seines Lebens eine neue Herausforderung gesucht. Ein neues Anliegen, eine neue Kampagne – weil er nur zu kurzer Freude über den Erfolg der vorherigen fähig war. In solchen Momenten beneidete er Woodie um seinen schlichten Charakter; er beneidete alle, die fähig waren, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Doch das war nie seine Art gewesen.
    Was also blieb jetzt noch zu tun? Die Lanzette musste sichergestellt werden. Es musste eine Probe von Royden Sharps Handschrift eingeholt werden – vielleicht von Mr und Mrs Greatorex. Er musste erkunden, ob Walker und Gladwin irgendeine weitere Bedeutung hatten. Da war die Geschichte mit dem Überfall auf die Frau und das Kind. Man musste Nachforschungen anstellen, wie sich Royden Sharp in der Schule von Walsall gemacht hatte. Er musste versuchen, einen genaueren Zusammenhang zwischen Wallie Sharps Aktivitäten und den Orten herzustellen, an denen die Briefe aufgegeben worden waren. Er musste die Pferdelanzette, wenn sie erst sichergestellt war, den Veterinären vorführen, die sich um die verletzten Tiere gekümmert hatten, und sie um eine fachmännische Beurteilung bitten. Er musste George fragen, ob er sich an die Sharps erinnerte, und wenn ja, was er von ihnen wusste.
    Er musste an die Mama schreiben. Er musste an Jean schreiben.
    Nun, da er ein volles Arbeitspensum im Kopf hatte, fiel er in ruhigen Schlummer.
    Nach der Rückkehr nach Undershaw fühlte sich Arthur wie am Ende eines Buchs: Das Meiste war geschafft, die größte schöpferische Spannung vorüber, nun blieb nur noch Kleinarbeit, um die Lösung nach allen Seiten hin abzusichern. Im Laufe der nächsten Tage trafen die Ergebnisse seiner Anweisungen, Nachfragen und Sondierungen ein. Das erste Resultat kam in Gestalt eines Pakets, das in braunes Wachspapier eingeschlagen und mit Bindfaden verschnürt war und aussah, als stammte es aus Brookes Eisenwarenhandlung. Doch er wusste schon vor dem Öffnen, was darin war; er konnte es Wood am Gesicht ansehen.
    Er wickelte das Paket aus und klappte die Pferdelanzette langsam zu voller Größe auf. Es war ein tückisches Gerät, das noch tückischer wurde durch den Kontrast zwischen dem stumpfen, geraden Teil und der geschliffenen Schneide an der tödlichen Ausbuchtung, die in der Tat höllisch scharf war.
    »Bestialisch«, sagte Arthur. »Darf ich fragen …«
    Doch sein Sekretär unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln. Sir Arthur konnte nicht beides haben, erst nichts wissen und dann doch etwas wissen wollen.
    George Edalji schrieb, er habe keine Erinnerung an die Brüder Sharp, weder aus der Schulzeit noch danach; er

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