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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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selbst. Bestimmt wieder so eine Alterserscheinung.
    Währenddessen saß George noch immer im Schreibzimmer des Grand Hotel. Er war niedergeschlagen. Er hatte sich Sir Arthur gegenüber schändlich unhöflich und undankbar benommen. Und das, nachdem dieser monatelang Arbeit in den Fall gesteckt hatte. George schämte sich. Er musste ihm schreiben und sich entschuldigen. Und dennoch … und dennoch … es wäre unehrlich gewesen, hätte er mehr gesagt. Oder vielmehr, hätte er mehr gesagt, hätte er ehrlich sein müssen.
    Er hatte die Anklage gegen Royden Sharp gelesen, die Arthur an das Innenministerium schicken wollte. Selbstverständlich hatte er sie mehrmals gelesen. Und mit jedem Mal hatte sich sein Eindruck verfestigt. Er war zu dem Schluss – dem zwangsläufigen Schluss eines Juristen – gekommen, dass diese Erklärung seiner eigenen Position nicht förderlich sein würde. Obendrein war er der Meinung – die er bei ihrem Gespräch nie zu äußern gewagt hätte –, dass Sir Arthurs Anklage gegen Sharp eine merkwürdige Ähnlichkeit mit der Anklage der Staffordshire Constabulary gegen ihn, Edalji, hatte.
    Zunächst einmal gründeten sich beide in exakt derselben Weise auf die Briefe. Sir Reginald Hardy hatte in seiner Zusammenfassung in Stafford gesagt, wer die Briefe geschrieben habe, müsse auch das Vieh verstümmelt haben. Dieser Zusammenhang war von Mr Yelverton und denen, die sich für ihn eingesetzt hatten, ausdrücklich und zu Recht kritisiert worden. Und nun stellte Sir Arthur genau denselben Zusammenhang her. Er war von den Briefen ausgegangen und hatte mit ihrer Hilfe allüberall Royden Sharps Handschrift erkannt und seinen wechselnden Aufenthaltsorten nachgespürt. Die Briefe belasteten Sharp, genau wie sie vordem George belastet hatten. Nun kam man zu dem Schluss, Sharp und sein Bruder hätten die Briefe eigens geschrieben, um George in die Sache hineinzuziehen – aber warum konnten sie dann nicht ebenso gut von jemand anderem geschrieben worden sein, um Sharp in die Sache hineinzuziehen? Wenn sie beim ersten Mal falsch waren, warum sollten sie dann beim zweiten Mal echt sein?
    Desgleichen hatte Sir Arthur nichts anderes vorzuweisen als Indizien, und das waren zum großen Teil Beweise vom Hörensagen. Eine Frau und ein Kind waren von einem Mann überfallen worden, der Royden Sharp gewesen sein könnte, nur war sein Name damals nicht gefallen, und es hatte keinerlei polizeiliche Maßnahmen gegeben. Mrs Greatorex hatte vor mindestens drei Jahren etwas gehört, das sie damals für sich behalten wollte, nun aber zur Sprache brachte, als von Royden Sharp die Rede war. Außerdem erinnerte sie sich an Gerede – oder Weiberklatsch – von Sharps Frau. Royden Sharp hatte als Schüler ausgesprochen schlechte Zeugnisse bekommen: Doch wenn das als hinreichender Beweis für kriminelle Absichten gälte, wären sämtliche Gefängnisse überfüllt. Angeblich hatte der Mond einen seltsamen Einfluss auf Royden Sharp – aber manchmal auch nicht. Des Weiteren wohnte Sharp in einem Haus, das man nachts leicht unbeobachtet verlassen konnte: Dasselbe galt für das Pfarrhaus und etliche andere Häuser in der Umgebung.
    Und wenn das noch nicht reichte, um einem Solicitor den Mut zu nehmen, dann kam es noch schlimmer, viel schlimmer. Sir Arthurs einziges konkretes Beweisstück war die Pferdelanzette, die er nun in seinen Besitz gebracht hatte. Und was war ein Gegenstand, den man sich auf diese Weise angeeignet hatte, vor Gericht tatsächlich wert? Ein Dritter, nämlich Sir Arthur, hatte einen Vierten, nämlich Mr Wood, dazu angestiftet, widerrechtlich bei einem Fünften, Royden Sharp, einzudringen und einen Gegenstand zu stehlen, den er dann durch das halbe Königreich transportiert hatte. Dass er ihn nicht der Staffordshire Constabulary übergeben hatte, war verständlich, aber man hätte ihn bei einer geeigneten Person der Rechtspflege hinterlegen können. Bei einem Solicitor, zum Beispiel. So aber hatte Sir Arthur das Beweisstück kontaminiert. Selbst die Polizei wusste, dass sie entweder einen Durchsuchungsbeschluss oder aber die ausdrückliche und unmissverständliche Genehmigung des Haushaltsvorstands brauchte, ehe sie in ein Haus oder auf ein Grundstück eindringen durfte. George räumte ein, dass das Strafrecht nicht sein Fachgebiet war, doch wie ihm schien, hatte Sir Arthur einen Komplizen zum Diebstahl angestiftet und zugleich ein entscheidendes Beweisstück wertlos gemacht. Und womöglich konnte er von Glück

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