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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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KEINE TRAUER . George las, es herrsche »kein Trübsinn« in dem Haus in Crowborough; die Rollläden seien bewusst nicht heruntergelassen worden; und nur Mary, Sir Arthurs Tochter aus erster Ehe, »zeige Kummer«.
    Mr Denis Conan Doyle sprach unbefangen mit dem Sonderkorrespondenten des Herald , »nicht mit gedämpfter Stimme, sondern ganz normal und voller Stolz und Freude«. »Er war der wunderbarste Ehemann und Vater, den es je gegeben hat«, sagte er, »und eine große Persönlichkeit. Größer noch als allgemein bekannt, weil er so bescheiden war.« Es folgten zwei Absätze der Lobpreisung, wie es sich für einen Sohn gehört. Doch was dann kam, war George peinlich; fast wollte er die Zeitung vor Maud verstecken. Sollte ein Sohn so über seine Eltern reden – noch dazu in der Zeitung? »Er und meine Mutter waren bis zum Schluss ein Liebespaar. Wenn sie ihn kommen hörte, sprang sie auf wie ein junges Mädchen, ordnete ihr Haar und lief ihm entgegen. Sie waren das größte Liebespaar, das es je gab.« George fand das nicht nur unschicklich, ihm missfiel auch die Prahlerei – zumal eben erst von Sir Arthurs Bescheidenheit die Rede gewesen war. Sir Arthur selbst hätte so etwas ganz gewiss nie von sich behauptet. Der Sohn fuhr fort: »Wenn wir nicht wüssten, dass wir ihn nicht verloren haben, wäre meine Mutter noch in derselben Stunde gestorben, davon bin ich überzeugt.«
    Denis’ jüngerer Bruder Adrian bestätigte, dass ihr Vater weiterhin in ihrem Leben präsent sei. »Ich weiß genau, dass ich mit ihm reden werde. Mein Vater glaubte fest daran, dass er auch nach seinem Übergang mit uns in Verbindung bleibt. Die gesamte Familie glaubt daran. Auf jeden Fall wird mein Vater oft zu uns sprechen, genau wie er es vor seinem Übergang tat.« Ganz unkompliziert würde das allerdings nicht sein: »Wir werden es immer merken, wenn er spricht, aber man muss vorsichtig sein, denn auch im Jenseits gibt es Scharlatane, genau wie hier. Die werden möglicherweise versuchen, sich für ihn auszugeben. Aber meine Mutter kennt Mittel, um das zu überprüfen, kleine sprachliche Eigenheiten zum Beispiel, die niemand nachahmen kann.«
    George war verwirrt. Die Nachricht hatte ihn plötzlich traurig gemacht – es war, als hätte er irgendwie einen zweiten Vater verloren –, doch das galt als unzulässig: KEINE TRAUER . Sir Arthur war freudig gestorben; seine Familie widerstand – mit einer Ausnahme – dem Kummer. Die Rollläden wurden nicht heruntergelassen; es herrschte kein Trübsinn. Wie konnte er dann behaupten, er habe einen Verlust erlitten? Er wollte sich mit diesem Dilemma schon an Maud wenden, die in solchen Dingen womöglich klarer sah, meinte dann aber, das könnte egoistisch erscheinen. Vielleicht verlangte die Bescheidenheit des Verstorbenen auch eine Bescheidenheit des Kummers von denen, die ihn gekannt hatten.
    Sir Arthur war einundsiebzig Jahre alt geworden. Die Nachrufe waren umfangreich und liebevoll. George verfolgte die Meldungen eine ganze Woche lang und stellte zu seinem leichten Verdruss fest, dass er in Mauds Herald etwas mehr Informationen fand als in seinem eigenen Telegraph . Es sollte eine GARTEN BESTATTUNG geben, und zwar IM ENGSTEN FAMILIEN KREIS . George fragte sich, ob man ihn dazu einladen würde; wer Sir Arthurs Hochzeit gefeiert hatte, durfte hoffentlich auch zugegen sein bei seinem … fast hätte er Tod gesagt, doch dieses Wort wurde in Crowborough nicht gebraucht. Bei seinem Übergang; seiner Erhebung, wie manche sagten. Nein, das wäre zu viel erwartet – er gehörte in keinerlei Hinsicht zur Familie. Nachdem er sich das alles zurechtgelegt hatte, gab es ihm einen kleinen Stich, als er am nächsten Tag in der Zeitung las, es nähmen dreihundert Menschen an der Beerdigung teil.
    Sir Arthurs Schwager, der Reverend Cyril Angell, der die erste Lady Conan Doyle beerdigt und die zweite getraut hatte, leitete auch den Gottesdienst im Rosengarten von Windlesham. Der Reverend C. Drayton Thomas assistierte ihm. Man sah wenig Schwarz bei den Versammelten; Jean trug ein geblümtes Sommerkleid. Sir Arthur wurde bei dem Gartenhäuschen zur letzten Ruhe gebettet, das ihm so lange als Arbeitsraum gedient hatte. Aus der ganzen Welt trafen Telegramme ein, und ein Sonderzug musste eingesetzt werden, um alle Blumen aufzunehmen. Als sie an der Grabstätte ausgelegt waren, verglich ein Beobachter das Bild mit einem phantastischen, mannshoch gewachsenen Barockgarten. Jean hatte eine Grabtafel aus britischer

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