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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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Hände gebunden.
    Aber ich war trotzdem froh über die Bekanntschaft.
    Ein ganzes Untergrundsystem , hatte das Mädchen gesagt. Eine Widerstandsbewegung. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie das wohl aussehen mochte. Waren das Leute wie wir? Flüchtige? Die Maßnahmen gegen die MM planten? Meine Phantasien schienen zu unrealistisch zu sein. Aber im Grunde kam es nur darauf an, dass uns jemand nach South Carolina brachte.
    Während der Tag voranschritt, stellte sich wieder der vertraute Druck der Beklemmung in meiner Brust ein. Meine Mutter war gerade außerhalb meines Zugriffs, und inzwischen konnte ich mir, wenn ich mich angestrengt auf sie konzentrierte, nur noch Fragmente in Erinnerung rufen. Ihr kurzes, stets mit schmückendem Beiwerk verziertes Haar. Ihre mit Socken bewehrten Füße auf dem Küchenboden. Ich musste sie schnell finden, oder, so fürchtete ich, ich würde immer mehr von ihr verlieren.
    Je näher wir Knoxville kamen, desto mehr nahm die Präsenz der MM auf dem Highway zu. Auch andere Fahrzeuge waren auf der Straße unterwegs, nicht viele, aber genug, dass wir nicht weiter auffielen. Doch auch das beruhigte uns wenig, solange uns regelmäßig FBR -Streifenwagen begegneten.
    Dann sahen wir das Schild. GELBE ZONE . Die Westhälfte von Knoxville war erst kürzlich für Zivilisten gesperrt worden, um Platz für einen MM -Stützpunkt zu machen.
    »Meinst du, die haben uns belogen?«, fragte ich Chase nervös. »Meinst du, sie haben uns hergeschickt, weil wir ihnen nicht genug Geld gegeben haben?«
    »Nein«, entgegnete Chase, hörte sich aber nicht sehr überzeugt an. »Ich glaube, der sicherste Ort ist direkt im Schatten des Feindes. Hier gibt es eine Widerstandsbewegung.«
    Und so gingen wir hin, um uns unter dem Bauch des Monsters zu verstecken.
    Als wir die grauen Wasser des Holston River überquert hatten, nahm er eine etwas verkehrsreichere Abfahrt und parkte auf einem dunklen Parkplatz hinter einer Formation aus Sandsteingebäuden, die zum städtischen Krankenhaus gehörten. Als wir ausstiegen, umfing uns die Flut der Geräusche und Gerüche einer Stadt zur Feierabendzeit. Obwohl wir nur wenige Tage auf dem Land verbracht hatten, fühlte ich mich unter all diesen vielen Menschen eingeengt und paranoid. Mir war, als würden uns alle beobachten. Ich roch die Abwasserkanäle, den Schweiß und den Smog, der eine Dunstglocke über der Stadt bildete. Das alles half mir wenig dabei, mein Unbehagen abzulegen.
    Es war kühl, aber nicht kalt. Der Himmel war schwer vor Feuchtigkeit. Regen zog auf. Chase schnappte sich den Rucksack und ging um den Wagen herum. Er musste mir nicht erst sagen, dass ich nichts vergessen sollte. Mir war klar, dass wir nicht zurückkommen würden.
    Wir traten hinaus auf die Straße und waren sofort von Fußgängern umgeben. Einige Leute eilten in Arbeitskleidung durch die Straßen, was immerhin bedeutete, dass sie Arbeit hatten . Am Straßenrand bettelten einige Obdachlose mit ihren Pappschildern. Manche zuckten, kratzten sich oder sprachen mit ihren Halluzinationen. High oder geistesgestört. Auf der Grundlage des Erneuerungsgesetzes waren die üblichen Behandlungsprogramme eliminiert worden, um das FBR zu finanzieren.
    Es gab kaum genug Platz, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Chase rückte nahe an mich heran, und obgleich er eine finstere Miene aufgesetzt hatte, wusste ich doch, dass er sich hier deutlich wohler fühlte als ich. Nachdem Chicago ausgebombt worden war, hatte er an Orten wie diesem überlebt. In Sammelbecken für Menschen, die aus den größeren Städten vertrieben worden waren.
    »Pass gut auf«, warnte er mich. »Und auf mich auch, wenn du schon dabei bist«, fügte er hinzu und zog die Riemen des Rucksacks stramm. Das Geld hatte er in die vordere Tasche gesteckt.
    »Wo fangen wir an?«, erkundigte ich mich. Dies war die größte Stadt, die ich je erlebt hatte. Wie groß die Widerstandsbewegung hier auch sein mochte, wir suchten nach der Nadel im Heuhaufen.
    »Wir folgen einfach Leuten in dreckigen Klamotten«, sagte er. »Die führen uns dahin, wo es Essen gibt, und wo es Essen gibt, da reden die Leute.«
    Er sollte recht behalten. Wir gingen mehrere Blocks hinunter und wurden bald Teil eines gewaltigen Stroms hungriger Menschen. An jedem Telefonmasten, jedem Zaun und jeder Tür hing ein auffälliges Plakat mit den Moralstatuten. Wir überquerten Bahngleise und kamen zu einem Platz, der sich Market Square nannte, ein langer, zementierter Streifen,

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