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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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ich schon gesehen«, erklärte ich ihm. Mein Herz pochte, als wäre ich gerade eine Meile gelaufen, aber ich hielt mich aufrecht und hoffte, dass er meine Entgleisung nicht bemerkt hatte.
    Reiß dich zusammen, ermahnte ich mich. Chase war kein Soldat mehr, und ich war nicht mehr in der Besserungsanstalt. Das sollte ich mir nicht immer wieder sagen müssen.
    In einem Ausdruck des Schmerzes zog er die Brauen zusammen. Für einen Moment hätte ich schwören können, er hätte meine Gedanken gelesen, aber dann verhärteten sich seine Züge wieder.
    »Weißt du, wie man mit einer Waffe umgeht?« Seine Stimme war leise. Ich wusste, er dachte an unsere Begegnung mit der Highway Patrol.
    Ich bedachte ihn mit einem giftigen Blick. »Musst du mich das wirklich erst fragen?«
    Er umfasste den Lauf und hielt mir die Waffe hin.
    »Ich … ich kann Waffen nicht leiden«, sagte ich.
    »Das geht mir genauso.«
    Das erstaunte mich. Als Soldat musste er es gewohnt sein, eine Waffe zu tragen. Als er nicht aufgab, nahm ich ihm die Waffe aus der Hand, packte den Griff aber, als hielte ich eine tote Ratte in den Fingern, und hätte sie, von dem Gewicht überrumpelt, beinahe fallen lassen.
    »Pass auf, wohin du zielst«, blaffte er mich an.
    Ich verzog das Gesicht und richtete den Lauf auf den Boden.
    »Die ist schwer.«
    »Das ist eine Browning Hi-Power Neun-Millimeter. Eine Pistole.«
    Er schluckte und wischte sich die Handflächen an der Hose ab. Dann legte er sacht die Hände um meine und zwang mich, den Griff zu umfassen, achtete aber darauf, keinen Druck auf meine wunden Handrücken auszuüben. Dort, wo wir uns berührten, glühte meine Haut und widersetzte sich meinem Geist, der ihn so gern verachten wollte. Dennoch war der Hautkontakt nach allem, was er getan hatte, nicht mehr gar so verwirrend.
    »Pass auf, das hier an der Seite ist die Sicherung. Wenn sie aktiviert ist, kannst du den Abzug nicht ziehen. So weit klar?«
    »Aha.«
    Er führte meine Hände, zeigte mir, wie man das Magazin herausnahm.
    »Das Magazin enthält dreizehn Patronen. Die Waffe ist eine Halbautomatik, das bedeutet, sie ist selbstladend, aber erst, nachdem du den Schlitten zurückgezogen hast. Dadurch wird die erste Patrone in die Kammer befördert. Danach musst du nur noch den Abzug durchziehen.«
    »Wie praktisch.«
    »Darum haben sie sie so gebaut. Jetzt pass auf, wir machen das jetzt nicht, aber ich erkläre dir, was zu tun ist, wenn du in Schwierigkeiten gerätst: Entsichern. Schlitten zurückziehen. Zielen. Abzug durchziehen. Benutz immer beide Hände. Kapiert?«
    »Ja, Sir.«
    »Wiederhol es.«
    »Entsichern. Schlitten zurückziehen. Zielen. Abzug durchziehen.« Ein sündiges Machtgefühl schien in meinen Händen aufzuwallen, als ich die Worte sprach.
    Er nahm mir die Waffe ab, und meine Atmung funktionierte wieder regulär. Aber da zog er schon ein Messer hervor.
    Während der nächsten zehn Minuten hockte ich auf den Knien, während Chase mein Haar absäbelte, eine Handvoll nach der anderen. Obwohl ich wusste, dass wir getan hatten, was wir konnten, um uns zu tarnen, konnte ich die nagende Sorge um meine Mutter nicht loswerden. Beth, meine Freunde , würden mich bald nicht wiedererkennen können. All die alten Teile meiner selbst – die Teile, die ich kannte – wurden abgeschnitten wie meine Haare und ließen nur ein verzerrtes, unausgegorenes Etwas zurück. Aber das war natürlich Blödsinn. Ich war immer noch ich. Aber alles andere hatte sich verändert.
    Wir kehrten zum Wagen zurück, wo wir uns an die gegenüberliegenden Enden der Sitzbank setzten, stur geradeaus starrten und uns hartnäckig anschwiegen. Die Minuten zogen dahin, und ich nahm seinen Atem immer intensiver wahr – ruhig, rhythmisch –, und dann fiel mir auf, dass mein eigener Atem sich seinem Tempo angeglichen hatte. Wie konnte er in so einer Situation beruhigend auf mich wirken, ohne sich überhaupt darum bemüht zu haben? Der Gleichklang dieser lebensnotwendigen Frequenz weckte in mir die Sehnsucht nach etwas, das es einfach nicht geben konnte, und ich drehte mich weg, damit er nicht sehen konnte, wie sehr mich schon seine bloße Nähe schmerzte.
    Ich vermisste ihn jetzt mehr als zu der Zeit, in der er fort gewesen war.
    Erst als es so dunkel geworden war, dass ich seine Umrisse nicht mehr erkennen konnte, gestattete ich mir, zu ihm hinüberzuschauen.
    »Hättest du die MM auch verlassen, wenn sie dich nicht gebeten hätte?«
    Meine Stimme hörte sich schwach an, kaum lauter

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