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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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dass sie dich finden.«
    Ich schauderte. Ich hatte angenommen, man würde mich in die Resozialisierungsanstalt zurückbringen, sollte ich erwischt werden, aber Chases Ton jagte mir Angst ein. Er deutete weit Schlimmeres an.
    In meinem Kopf ging es drunter und drüber. Er wollte, dass ich davonlief. Dass ich ihn mit den Soldaten allein ließ, obwohl ich der Grund dafür war, dass er sein Leben riskiert hatte. Aber ich wollte Chases Gefangennahme nicht auch noch auf mein Gewissen laden. Nicht nach dem, was ich Sean und Rebecca angetan hatte.
    Andererseits musste ich zu meiner Mutter. Das war doch das Einzige, was wirklich zählte. Oder?
    »Was hast du vor?«, fragte ich, als der Truck langsamer wurde.
    Er antwortete nicht.
    Sosehr Chase sich verändert hatte, sosehr die Finsternis in seinen Augen mich verunsicherte, schien es mir doch immer noch unvorstellbar, dass er jemanden töten könnte. Andererseits …
    Ich riss die Decke hinter dem Sitz hervor, legte sie über meinen Rock und hoffte, dass die Soldaten nicht erkennen würden, dass mein Pullover Teil einer Reformschuluniform war. Eigentlich sah er recht unauffällig aus.
    Chase fuhr an den Straßenrand, schaltete den Motor ab und verdeckte die Drähte unter dem Armaturenbrett mit den Knien. Ich warf einen Blick auf seine marineblaue Uniformhose und hoffte, der Soldat würde nicht so genau hinsehen.
    Die Sekunden zogen unter beißender Anspannung vorüber. Dann, endlich, stieg ein Soldat auf der Beifahrerseite aus dem Streifenwagen. Das Geräusch, als er die Tür zuschlug, klang in meinen Ohren so laut wie Kanonendonner. Im Spiegel sah ich einen weiteren Soldaten auf dem Fahrersitz.
    Der Mann, der sich uns näherte, war älter als die meisten anderen Soldaten, die ich bisher gesehen hatte. Silberfarbenes, zur Seite gekämmtes Haar bedeckte die dennoch unverkennbare Glatze über dem wettergegerbten Gesicht. Er schlenderte zur Fahrertür und winkte Chase zu, er möge die Scheibe herunterkurbeln. Aus dem Augenwinkel verfolgte ich jede Bewegung meines Begleiters.
    »Führerschein und Fahrzeugpapiere«, forderte der Soldat, genau wie es früher die Cops getan hatten, ehe die MM die Macht ergriffen hatte. In der rechten Hand hielt er einen tragbaren Scanner.
    Chase griff über meinen Schoß hinweg zum Handschuhfach. Als sein Unterarm auf meinem Knie ruhte, wanderte die Wärme seines Körpers mein Bein hinauf, und die Luft, die ich tief inhalierte, roch nach Seife, nach Heimat und Sicherheit. Doch das Gefühl schwand so schnell, wie es gekommen war. Er ergriff ein Stück Papier von der Größe einer Karteikarte und reichte es dem Offizier.
    »Tut mir leid, meinen Ausweis hat mir bei unserer letzten Kontrolle ein Soldat abgenommen. Hat gesagt, das würde zu der Datenerhebung dazugehören. Und er hat gesagt, ich dürfte trotzdem fahren.«
    »Ja, ja«, sagte der Offizier und nickte, als wäre das ein ganz gewöhnlicher Vorgang. Ich musste daran denken, wie Bateman den Ausweis meiner Mutter im Zuge der Verhaftung in seine Tasche gesteckt hatte.
    Der Soldat scannte den Strichcode auf der Zulassung und starrte blinzelnd auf den winzigen Bildschirm, vermutlich auf der Suche nach offenen Haftbefehlen. Ich war voll und ganz bereit, jederzeit aus der Haut zu fahren.
    »Sie können von Glück reden, dass die Gebühren ausgesetzt worden sind, Mr Kandinsky. Ihre Zulassung ist abgelaufen. Seit drei Jahren.«
    Chase nickte. Der Soldat gab ihm die Zulassung zurück.
    »Also, wo soll es hingehen?«, fragte der Mann. »Die Stadt wurde geräumt. Ist schon seit Monaten verlassen.«
    Meine Hände umfassten einander so fest, ich fürchtete beinahe, ich könnte mir selbst die Knochen brechen. Rasch drehte ich sie um, um die Striemen zu verbergen.
    »Ich weiß«, log Chase aalglatt. »Meine Tante hat ein Haus, ein Stück die Straße runter. Ich habe ihr gesagt, ich würde danach sehen. Wir haben einen Passierschein.«
    »Herzeigen.«
    Chase griff in seine Tasche, gleich neben der Waffe. Ich wandte mich ab, drehte mein Gesicht zum Fenster auf der Beifahrerseite und kniff die Augen zu. Meine Hände krallten sich in die Decke, als ich mich innerlich auf Schüsse vorbereitete.
    Er wird es tun, dachte ich. Er wird den Mann erschießen.
    »Ich habe ihn in deiner Jacke gesehen«, platzte ich heraus. Soldat oder nicht, der Mann hatte uns nichts getan. Chase bedachte mich mit einem vernichtenden Blick.
    »Ist das Ihre Freundin?«, fragte der Soldat, der anscheinend erst jetzt auf mich aufmerksam

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