Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
Vom Netzwerk:
auf mich aufzupassen, wäre er auf einer anderen Ebene immer noch darauf programmiert gewesen, auf mich aufzupassen. Und je länger ich ihn ansah, desto größer wurde der Druck in meiner Brust. Ich wandte mich ab.
    »Gibt es sonst noch etwas?«, fragte ich.
    »Was?« Er hörte sich ein wenig erschrocken an.
    »Regeln«, sagte ich stirnrunzelnd. »Noch irgendwelche Regeln?«
    »Oh.« Er schüttelte den Kopf. »Vertrau um Gottes willen niemandem.«
    Ich stimmte zu, wenn auch nur halbherzig. Denn schließlich war ich trotz allem wieder zu ihm in den Truck gestiegen, und seit ich diese Entscheidung getroffen hatte, hatte ich keine Angst mehr verspürt.
    Um elf Uhr dreißig erreichten wir Harrisonburg, Virginia.
    Nachdem ich lange Zeit wachsam auf der Suche nach der MM aus dem Fenster gestiert hatte, sah ich inzwischen doppelt. Alle paar Augenblicke warf ich einen Blick auf die Straßenkarte, um Chase beim Navigieren zu helfen, aber sobald ich sicher war, dass wir auf dem richtigen Weg waren, suchte ich wieder die Umgebung nach Soldaten ab.
    Der Regen hatte aufgehört, und die Straße war vergleichsweise frei, auch wenn wir hier und da um einen umgestürzten Baum herumfahren mussten. Ein paar Fahrzeuge waren uns auch begegnet, aber das letzte war schon eine Weile her.
    Die Außenbezirke der kleinen Stadt wirkten regelrecht ländlich. Bewaldete Berge erhoben sich in einiger Entfernung zu unserer Rechten. In höheren Lagen hüllte der Dunst die Berge in einen purpurnen Schleier, ehe die Gipfel, weit entfernt am Horizont, endgültig mit dem Himmel zu verschmelzen schienen.
    Die meisten Häuser waren von großzügigen Grundstücken umgeben, aber verbrettert und mit Sprühfarbe gekennzeichnet, genau wie die verlassenen Gebäude von Hagerstown. Vom Highway aus konnte ich keine Details erkennen, aber ich war überzeugt, dass dort überall das gleiche Symbol prangte: durchkreuzte MM -Insignien. Allmählich empfand ich so etwas wie Stolz, wann immer ich es zu sehen bekam; es war der Beweis dafür, dass es da draußen Leute gab, die die MM genauso hassten wie ich.
    Chase verließ den Highway und fuhr auf eine Straße voller schlammgefüllter Schlaglöcher. Der Truck ruckte von einer Seite zur anderen, und ich kam mir vor, als wäre ich in einem Fahrgeschäft in irgendeinem Vergnügungspark. Schließlich löste Kies den Asphalt ab, und die grasbewachsenen Hügel neben der Straße begleiteten uns wie Meereswogen.
    Die Rudy Lane war ganz in der Nähe, aber Chase wollte den Wagen nicht direkt vor dem Checkpoint abstellen, also ließen wir den Truck und alle unwichtigen Dinge, die wir nicht mitschleppen konnten – darunter auch das Gewehr von Rick und Stan – zurück.
    Hätte Chase nicht darauf bestanden, dass wir die Straße verlassen und durch das wuchernde Unkraut wandern, ich wäre den ganzen Weg gerannt. Zwar war mir klar, dass die Chance minimal war, doch ich konnte die Hoffnung nicht verdrängen, dass meine Mutter vielleicht immer noch am Checkpoint war. Vielleicht sah ich sie schon in ein paar Minuten wieder! Nach allem, was wir durchgemacht hatten, wären wir uns endlich wieder so nah wie früher.
    Ungeachtet meiner Ungeduld lief die Zeit weiter. Bald erreichten wir ein recht dörfliches Viertel. Als wir eine Baumgruppe im Zentrum umrundet hatten, kam ein schmales, zweigeschossiges viktorianisches Haus in Sicht. In meinen Augen war es ein sehr schönes Gebäude: sonnenscheingelb mit dekorativen Bordüren, hölzernen Stufen und einer malerischen kleinen Veranda. Es hätte einladend gewirkt, wären die beiden Schaukelstühle nicht am Geländer festgekettet und die Eingangstür nicht mit soliden Brettern vernagelt gewesen.
    190 Rudy Lane.
    »Das ist es?«, fragte ich mit zunehmendem Unbehagen. Das Haus sah verlassen aus, aber vielleicht war das nur eine Sicherheitsmaßnahme.
    »Ich glaube schon.« Er zog die Waffe aus dem Gürtel. Nach allem, was bei dem Sportgeschäft passiert war, hatte er sie nicht mehr in der Tasche verstauen wollen. Auch wenn er sie nur vorsichtshalber zur Hand nahm, jagte sie mir einen Schauder über den Rücken.
    Wir folgten dem mit kreisrunden Steinen ausgelegten Weg entlang der gelben Fassadenverkleidung zu einer Hintertür, die auf einen offenen Hof hinausführte, der auf einer Seite von einer kaputten Wäscheleine gesäumt wurde, hinter der ein dichter, finsterer Wald lauerte. Chase ging weiter um das Haus herum, bis wir wieder am Eingang waren.
    »Komm her«, rief er nach einem Augenblick. Ich

Weitere Kostenlose Bücher