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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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folgte ihm.
    Und da, an der seitlichen Verkleidung des Hauses, fand sich ein verbeultes Blechschild mit schwarzen, in Sprühfarbe aufgetragenen Lettern. Doch dies waren keine durchkreuzten MM -Insignien, wie wir sie so häufig zu sehen bekommen hatten, dies war eindeutig FBR -Propaganda.
    Ein Heiles Land, Eine Heile Familie.
    Chase sah ziemlich ratlos aus.
    »Du denkst doch nicht, das ist eine Falle, oder?« Vor meinem geistigen Auge stieg ein Bild von Soldaten auf, die sich hier zusammenfanden, doch dann wurde mir bewusst, wie albern das war. Die MM mochte Gebäude und Schilder finanzieren, aber gewiss keine mit Graffiti verzierten, verlassenen Häuser.
    »Nein«, antwortete er, aber mehr fiel ihm nicht dazu ein. Er machte kehrt und ging erneut zur Rückseite des Hauses.
    Wir klopften an die Hintertür. Keine Antwort.
    Die Befürchtung, die schon länger in mir geköchelt hatte, brodelte nun hervor.
    »Bist du sicher, dass es Donnerstag war?«
    Für einen Moment flackerte Zorn in ihm auf. »Das hat mein Onkel jedenfalls gesagt!«
    Dein Onkel hat dich auch im Stich gelassen, als du gerade sechzehn warst, hätte ich am liebsten geantwortet. Ich war dumm genug gewesen, auf seinen Onkel zu vertrauen, weil Chase ihm vertraute, dabei hatte ich aber vergessen, dass ich Chase selbst kaum noch Vertrauen entgegenbrachte.
    »Denkst du, wir sind zu spät gekommen?« Es war noch nicht ganz Mittag, aber wir wussten nicht genau, wann der Schleuser üblicherweise abreiste. Der Fehler, den ich begangen hatte, hing düster über meinem Kopf, bereit, die Strafe nach sich zu ziehen.
    Er zuckte mit einer Schulter. Ich rüttelte heftig am Türknauf, aber es war abgeschlossen.
    Keine Reaktion.
    Das durfte nicht sein. Wir hatten uns nicht geirrt. Wir konnten uns einfach nicht geirrt haben. Nicht nach allem, was wir durchgemacht hatten.
    Bis zu diesem Moment war mir meine eigene Zerbrechlichkeit nicht bewusst gewesen, doch nun drang all die Furcht und Besorgnis auf mich ein wie Schläge mit einem Vorschlaghammer, und ich brach einfach zusammen. Ich schlug mit den Händen an das Holz, trat gegen die Tür und quetschte mir die Füße, brüllte, man solle mich einlassen, und spürte kaum, wie Chase meine Taille umfing und mich zurückzerrte.
    Mit strenger Miene setzte er mich wieder ab. Dann wich er ein wenig zurück, holte aus und trat kraftvoll kurz über dem Riegel gegen die Tür. Ein lautes Krachen zerriss die Luft. Er trat noch einmal zu. Das Holz bog sich durch, und die Verriegelung löste sich.
    »Bleib hier«, wies er mich an, ehe er in den dunklen Raum trat und verschwand. Ich keuchte und zitterte immer noch. Augenblicke später kam er zurück und winkte mich im Schein einer Taschenlampe in das Dunkel. Automatisch griff ich nach dem Lichtschalter, und zu unserer Überraschung verströmte eine Deckenlampe helles Licht in einer urigen, rechteckigen Küche.
    »Puh«, machte Chase. »Wir müssen ziemlich nahe an einer größeren Stadt sein, wenn es hier Standardstrom gibt.«
    In der Küche roch es nach Moder, aber das fiel mir schon nach kurzer Zeit gar nicht mehr auf. Auf einer Arbeitsplatte lagen Decken, ein Karton mit gebrauchter Kleidung und leere Behälter haltbarer Lebensmittel. Gemüse in Dosen. Tunfisch. Außerdem gab es einen Reißwolf, dessen Stecker in einer Wandsteckdose steckte, und einen Stapel blauer Formulare, die in Größe und Form Karteikarten glichen.
    U-14-Formulare.
    Von denen hatte Chase gesprochen, als man uns angehalten hatte. Das war es, was man brauchte, wenn man eine Rote Zone durchqueren wollte.
    Wie es schien, waren wir am richtigen Ort, aber wo war der Schleuser?
    Über den Korridor ging es zu einem Schlafzimmer, gerade groß genug für ein Doppelbett und eine Kommode. Dahinter folgte ein Speiseraum. Trotz der Spinnweben, die sich von Birne zu Birne zogen, verlieh der Kronleuchter dem Zimmer eine nostalgische Eleganz. In dem Staub am Boden waren frische Fußspuren erkennbar.
    Ich ging weiter zum Badezimmer, wo ich eine verglaste Duschkabine entdeckte, was mich daran erinnerte, wie sehr ich mit Schlamm, Asche und Erbrochenem beschmutzt war. In einem kleinen Schrank hinter der Dusche lagen stapelweise saubere Handtücher, ein Anblick, bei dem ich mein Zuhause aus irgendeinem Grund noch mehr vermisste als sonst.
    Chase sah sich im Obergeschoss um, doch auch dort war niemand zu finden.
    »Glaubst du, wir haben ihn verpasst?«, fragte ich besorgt.
    »Das kann ich mir nicht denken. Vielleicht ist er nur eine Weile

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