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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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Jacke stach die kalte Luft wie mit Nadeln durch meinen Pullover. In Chases Tasche hatte ich trockene Kleidung, aber ich hatte nicht die Absicht, ihn zu bitten, er möge anhalten, damit ich mich umziehen konnte. Wir mussten Zeit gutmachen.
    »Eines solltest du wissen«, sagte Chase plötzlich und schreckte mich auf, als ich gerade das Wasser aus einer unserer Flaschen nutzte, um mir die Lippen zu säubern.
    Als ich zu ihm hinüberschaute, erkannte ich, dass er absolut aufrecht dasaß und seine Augen Löcher in die Windschutzscheibe starrten.
    »Ich bringe dich zu dem sicheren Haus, und dann bin ich weg. Ich werde dich nie wieder belästigen. Aber solange wir zusammen sind, musst du keine Angst vor mir haben. Ich werde dir nicht wehtun. Ich verspreche dir, ich werde dir niemals wehtun.«
    Nicht allein seine Ansprache verblüffte mich, sondern auch die damit verbundene Absicht. Ich hatte gesehen, was Soldaten zu tun imstande waren – was sie meiner Mom und Rosa und Rebecca angetan hatten. Also war Chase vielleicht gar nicht wie diese anderen Soldaten – er hatte mich aus der Resozialisierung geholt und sein Leben riskiert, um mich zu schützen, wie sehr mir das auch zu schaffen machte. Aber auch das konnte den kalten, harten Ausdruck in seinen Zügen nicht auslöschen, den ich gesehen hatte, als er meine Mutter verhaftet hatte. Es gab etliche Wege, jemandem wehzutun, ohne die Fäuste zu benutzen.
    Und dennoch wollte ich glauben, dass ich bei ihm sicher war, trotz des Soldaten in ihm, der so leicht zu wecken war. Ich wollte ihm wieder vertrauen, vielleicht nicht mehr so, wie ich es früher getan hatte, aber doch zumindest auf eine andere Art. Und da saß er nun und sagte mir, er würde wieder fortgehen.
    Aber das war genau das, was ich gewollt hatte, nicht wahr? Darum war ich weggelaufen, weil ich von ihm fort wollte. Plötzlich kam mir dieser Entschluss – so ausgiebig ich auch zuvor darüber nachgedacht hatte – sehr impulsiv vor.
    »Gut«, sagte ich.
    Seine Schulter zuckte. Offenbar verwechselte er meine Verwirrung mit Ungläubigkeit.
    »Am Mittag ändern sich die Spielregeln.«
    »Ich weiß.«
    »Ich kann dich nicht nach South Carolina bringen, wenn du nicht mithilfst.«
    Ich schaute ihn an, erstaunt, dass er einen Teil der Kontrolle aufgab.
    »Was muss ich tun?«
    »Lauf nicht weg«, sagte er. Verärgert verschränkte ich die Arme vor der Brust.
    »Ist das alles?«
    Er tat einen tiefen, beruhigenden Atemzug.
    »Du musst auf mich hören«, verkündete er bestimmt. »Ich meine, wirklich auf mich hören. Wenn ich dir sage, versteck dich, dann tust du das. Wenn ich sage, lauf, dann setzt du dich in Bewegung. Du musst tun, was ich sage. Anderenfalls fällst du viel zu schnell als Statutenverletzerin auf.«
    Lehn dich immer in die Richtung, in die ich mich lehne , hatte er einmal gesagt. Kämpf nicht gegen mich.
    Ich erinnerte mich an all die erniedrigenden Lektionen über das angemessene, unterwürfige Verhalten einer Frau in der Besserungsanstalt und kam doch nicht gegen den Gedanken an, dass Chase ein wenig zu weit ging.
    »Ich glaube, ich weiß, was ich zu tun habe, um nicht aufzufallen, danke sehr.« Immerhin hatte ich mein ganzes Leben lang nichts anderes getan. So hatte ich dafür gesorgt, dass wir nicht auf dem Radar der MM aufgetaucht waren. Und so hatte ich auch vor, nach South Carolina zu gelangen.
    Er schnaubte verächtlich. »Du hast noch nie gewusst, wie man sich unauffällig verhält. Nicht einmal, als du … du kannst es einfach nicht«, schloss er ein wenig verlegen.
    »Was soll das heißen?«
    »Das heißt …«, stammelte er. »Schau, die Leute werden sich auf dich einschießen. Das ist alles.«
    Nun fühlte ich, dass er mich musterte. Und plötzlich war ich wieder acht Jahre alt und kämpfte nach einem Sturz vom Rad mit den Tränen. Die Jungs in der Nachbarschaft nannten mich »Heulsuse«, was noch mehr wehtat als die aufgeschürften Knie. Chase verscheuchte sie, ohne an die Konsequenzen zu denken, die die Verteidigung eines Mädchens nach sich ziehen konnte. Mein zehnjähriger Held.
    Das Déjà-vu-Erlebnis flaute wieder ab, aber die Gefühle hallten durch das ganze Führerhaus. Furcht, Verlegenheit, Einschüchterung, Sicherheit.
    »Ich habe dich nie gebeten, mich zu beschützen«, sagte ich leise. Nicht damals und nicht heute.
    Ich konnte an seinem Gesicht ablesen, dass es keinen Zweck hatte, mit ihm zu diskutieren. Selbst wenn er mir zugestanden hätte, dass ich absolut in der Lage war, selbst

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