Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Bodenfliesen stiegen Dampfwölkchen in den weiten Raum empor.
Einer nach dem anderen wurden die Bittsteller vorgelassen, damit Recht gesprochen werden konnte. Nahezu alle Fälle hätten vor dem Gericht von Lindinis entschieden werden können, das nur etwa einhundert Schritt von der Villa entfernt war, da aber viele Menschen, vor allem die heidnische Landbevölkerung, überzeugt waren, daß ein Urteilsspruch des Kronrats bindender sei als der Spruch eines von den Römern eingesetzten Gerichts, schoben sie ihren Groll und ihre Fehden auf, bis der Kronrat in bequemer Reichweite tagte. Arthur, der das Kleinkind Mordred vertrat, verhandelte geduldig mit ihnen, war aber erleichtert, als endlich das eigentliche Problem des Tages in Angriff genommen werden konnte. Und das hieß, die losen Enden nach dem Kampf des vergangenen Tages zu entwirren. Owains Krieger wurden Fürst Gereint unterstellt - mit Arthurs Empfehlung, sie auf verschiedene Truppen zu verteilen. Einer von Gereints Hauptleuten, ein Mann namens Llywarch, wurde an Owains Stelle zum neuen Befehlshaber von Mordreds Leibwache ernannt, anschließend wurde einem Beamten die Aufgabe übertragen, Owains Vermögen zu schätzen und Kernow den Anteil zu überstellen, der dem Land als sarhaed zustand. Mir fiel auf, wie schroff Arthur dieses Problem behandelte, wobei er es jedoch nicht versäumte, jedem einzelnen Anwesenden Gelegenheit zu geben, seine Meinung vorzutragen. Derartige Anhörungen konnten zu endlosen Diskussionen führen, doch Arthur besaß glücklicherweise die Gabe, komplizierte Probleme sofort zu verstehen und Kompromisse
vorzuschlagen, die alle zufriedenstellten. Überdies bemerkte ich, daß Gereint und Bedwin Arthur bereitwillig den ersten Platz zugestanden. Bedwin hatte all seine Hoffnungen für Dumnonias Zukunft auf Arthurs Schwert gesetzt und war daher Arthurs eifrigster Befürworter, während Gereint, Uthers Neffe, zwar ein Gegner hätte sein können, doch weil der Fürst die Ambitionen seines Onkels nicht teilte, war er es zufrieden, daß Arthur die Verantwortung für die Regierung übernehmen wollte. Dumnonia hatte einen neuen Champion, Arthur ap Uther, und die Erleichterung im Raum war mit Händen greifbar.
Fürst Cadwy von Isca wurde dazu verurteilt, zu dem sarhaed beizutragen, der Kernow zustand. Er protestierte zwar gegen diese Entscheidung, duckte sich aber vor Arthurs Zorn und versprach kleinlaut, ein Viertel von Kernows Preis zu übernehmen. Arthur, vermutete ich, hätte wohl lieber eine härtere Strafe verhängt, aber aufgrund meines Eides durfte ich kein Wort über Cadwys Rolle bei dem Überfall auf dem Moor verlieren, und da es keine weiteren Beweise für seine Beteiligung gab, entging Cadwy einem strengeren Urteil. Mit einem Kopfnicken akzeptierte Prinz Tristan Arthurs Entscheidung.
Das nächste Problem dieses Tages war die Zukunft unseres Königs. Bisher hatte Mordred in Owains Haushalt gelebt, nun aber brauchte er ein neues Heim. Bedwin schlug einen Mann namens Nabur vor, einen Magistraten in Durnovaria. Ein anderes Ratsmitglied legte umgehend Protest ein, weil dieser Nabur ein Christenmensch war.
Um einen erbitterten Streit gleich im Keim zu ersticken, klopfte Arthur heftig auf den Tisch. »Ist Nabur anwesend?« fragte er. Im Hintergrund des Saales erhob sich ein hochgewachsener Mann. »Ich bin Nabur.« Er war glattrasiert und trug eine römische Toga. »Nabur ap Lwyd«, stellte er sich vor. Er war ein junger Mann mit schmalem, ernstem Gesicht und zurückweichendem Haaransatz, der ihm das Aussehen eines Bischofs oder Druiden verlieh.
»Habt Ihr Kinder, Nabur?« erkundigte sich Arthur.
»Drei, die noch leben, Lord. Zwei Knaben und ein Mädchen. Das Mädchen ist im Alter unseres Lord Mordred.«
»Gibt es in Durnovaria einen Druiden oder Barden?«
Nabur nickte. »Derella, den Barden, Lord.«
Arthur besprach sich kurz mit Bedwin. Der Bischof nickte, dann wandte sich Arthur lächelnd an Nabur. »Würdet Ihr den König in Pflege nehmen?«
»Mit Freuden, mein Lord.«
»Ihr dürft ihn in Eurer Religion unterweisen, Nabur ap Lwyd, aber nur, wenn Derella anwesend ist, und wenn der Knabe fünf Jahre alt ist, muß Derella Erzieher des Knaben werden. Aus der Schatzkammer werdet Ihr die Hälfte der Zuwendung für einen König erhalten. Unser Lord Mordred muß jederzeit von zwanzig Leibwachen umgeben sein. Der Preis seines Lebens sind Eure eigene und die Seelen Eurer gesamten Familie. Seid Ihr einverstanden?«
Als er vernahm, daß seine
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