Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Guinevere beschäftigte sich einen einzigen Tag mit den Zwillingen; dann sagte sie, die Knaben seien unleidlich. Sie seien nicht amüsant. Sie seien genausowenig hübsch wie ihre Schwester Gwenhwyvach, und da sie weder hübsch noch amüsant waren, paßten sie nicht in Guineveres Leben. Außerdem, sagte sie, gehörten die Zwillinge in Arthurs früheres Leben, und damit sei es nun vorbei. Sie wollte sie nicht, aber sie wollte diese Entscheidung nicht öffentlich verkünden. Ganz leicht berührte sie Arthurs Wange. »Wenn wir Kinder wollen, mein Prinz, werden wir sie uns selber machen.«
Guinevere nannte Arthur immer Prinz. Anfangs widersprach Arthur, er sei kein Prinz, doch Guinevere protestierte, er sei Uthers Sohn und daher von königlichem Geblüt. Um sie bei Laune zu halten, gestattete er ihr, ihn mit diesem Titel anzureden, aber schon bald erhielten wir alle Befehl, ihn ebenfalls zu benutzen. Guinevere befahl, wir folgten. Bisher war es niemandem gelungen, Arthur wegen Amhar und Loholt zur Rede zu stellen und die Oberhand zu behalten, aber Guinevere gelang dieses Kunststück, und so wurden die Zwillinge zu ihrer Mutter nach Corinium zurückgeschickt. Die Ernte war schlecht in jenem Jahr, denn das Getreide war durch späten Regen verkümmert, der es schwärzte und faulen ließ. Da gerüchteweise verlautete, die Ernte der Sachsen sei besser gewesen, weil der Regen ihr Land verschont habe, führte Arthur eine Kriegshorde ostwärts über Durocobrivis hinaus, um die sächsischen Getreidevorräte zu plündern. Ich glaube, er war froh, den Gesängen und Tänzen entrinnen zu können, und wir waren froh, daß er wieder unser Heerführer war und daß wir Speere tragen durften statt Festgewänder. Es war ein erfolgreicher Feldzug, der Dumnonia eine reiche Beute an Getreide, Gold und sächsischen Sklaven einbrachte. Leodegan, inzwischen Mitglied des dumnonischen Kronrats, wurde die Aufgabe übertragen, überall im Reich freie Kornrationen zu verteilen, aber es liefen erschreckende Gerüchte um, daß er statt dessen große Mengen davon verkauft habe und das aus diesen Verkäufen stammende Gold seinen Weg in die neue Villa gefunden hätte, die Leodegan sich am Bachufer genau gegenüber von Guineveres frisch verputztem Palast errichtete.
Jeder Wahnsinn muß irgendwann enden. Dieses Ende bestimmen die Götter, nicht die Menschen. Arthur war den ganzen Sommer lang rasend vor Liebe gewesen, und es war - trotz unserer niedrigen Dienste - ein guter Sommer gewesen, denn Arthur im Glück war ein bezaubernder, großzügiger Lord. Doch als der Herbst Wind, Regen und goldenes Laub durchs Land trieb, schien er aus seinem Sommertraum zu erwachen. Er war zwar immer noch verliebt - ich glaube nicht, daß seine Liebe zu Guinevere jemals aufhörte -, in diesem Herbst wurde ihm jedoch bewußt, wieviel Schaden er Britannien zugefügt hatte. Statt Frieden herrschte nur ein feindseliger Waffenstillstand, und der konnte, das wußte er, nicht lange dauern.
Wir fällten Eschenbäume, um Speerschäfte zu schnitzen, und die Hütten der Schmiede hallten wider vom Klang der Hämmer auf dem Amboß. Sagramor wurde von der sächsischen Front zurückgerufen, damit er näher am Herzen des Königreichs war. Arthur schickte einen Boten zu König Gorfyddyd - mit der Botschaft, daß er sich der Kränkung, die er dem König und seiner Tochter zugefügt habe, bewußt sei und daß er sich dafür entschuldige, trotzdem aber eindringlichst darum bitte, dennoch Frieden in Britannien zu halten. An Ceinwyn schickte er ein Halsband aus Perlen und Gold, aber Gorfyddyd schickte das Halsband zurück - drapiert um das abgeschlagene Haupt des Boten. Wie wir hörten, hatte Gorfyddyd aufgehört zu trinken und die Herrschaft über sein Königreich von seinem Sohn Cuneglas zurückgefordert. Diese Nachrichten bestätigten, daß es keinen Frieden geben würde, bis das Unrecht, das Ceinwyn angetan wurde, durch die Langspeere von Powys gerächt worden war.
Von überall her brachten Reisende schicksalsschwere Nachrichten. Die Lords »Hinter dem Meer« schickten neue irische Krieger in ihre küstennahen Königreiche. Die Franken zogen Kriegshorden an der Grenze von Armorica zusammen. Powys speicherte seine Ernte, und die Landwehr wurde ausgebildet, mit dem Speer zu kämpfen, statt das Getreide mit Sicheln zu schneiden. Da sich Cuneglas mit Helledd von Elmet vermählt hatte, trafen ständig Männer aus jenem nördlichen Land ein, um die Reihen der Armee von Powys zu verstärken.
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