Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
niedrigen
    Lorbeerhecken geschützten Kräutergarten kletterte. Die Sonne leuchtete im Westen, tauchte den Himmel in glühendes Rot und schickte ihre feurig-zitternde Spiegelung über das Wasser der Bucht. Wir stiegen über die Hecke und folgten Galahad eine Treppe hinab, die zu einer Gärtnerhütte führte, und von da aus auf einen gefährlichen Pfad, der an der Flanke des Granitfelsens entlanglief. Auf einer Seite des Pfades ragten die steilen Klippen empor, auf der anderen war nichts als Luft, aber Galahad kannte diesen Weg von Kindesbeinen an und führte uns sicher bis ans dunkle Wasser hinab.
    Im Meer schwammen Leichen. Unser erobertes Boot war völlig überladen - es kam einem Wunder gleich, daß es überhaupt schwimmen konnte - und trieb schon eine Viertelmeile von der Insel entfernt. Die Ruderer arbeiteten schwer, um es trotz des Gewichts der Passagiere möglichst schnell in Sicherheit zu bringen. Ich legte die hohlen Hände an den Mund und schrie: »Culhwch!« Meine Stimme hallte von den Felsen wider und drang über das Meer, wo sie in der Unermeßlichkeit der Schreie und Klagen unterging, die Ynys Trebes' Untergang begleiteten.
    »Laß sie fahren«, sagte Merlin gelassen und tastete unter dem schmutzigen Gewand herum, das er als Pater Celwin getragen hatte. »Halt mal.« Er drückte mir die Katze in die Arme, dann fingerte er unter seiner Kutte herum, bis er ein kleines, silbernes Horn fand, in das er ein einziges Mal stieß. Es gab einen wunderschönen Ton.
    Fast unmittelbar darauf kreuzte um Ynys Trebes' Nordküste eine Jolle auf. Ein einziger Mann in langem Gewand bewegte das kleine Boot mit einem langen Ruder, das in einer Dolle am Heck auflag, vorwärts. Die Jolle hatte einen hochgezogenen, spitzen Bug und Platz für höchstens drei Passagiere. Auf dem Boden des Bootes stand eine Holztruhe, in deren Deckel Merlins Siegel mit dem gehörnten Gott Cernunnos eingebrannt war. »Ich hatte diese Vorbereitungen getroffen«, erklärte Merlin obenhin, »als deutlich wurde, daß der arme Ban keine Ahnung hatte, welch kostbare Handschriften er besaß. Ich dachte, daß ich mehr Zeit brauchen würde, und so war es ja auch. Die Manuskripte waren natürlich etikettiert, aber die fili brachten sie ständig durcheinander, versuchten gar, sie zu verbessern, wenn sie nicht gerade die Verse stahlen und als ihre eigenen ausgaben. Einer von diesen Elenden verbrachte sechs Monate damit, Catullus zu plagiieren, und legte ihn dann unter Plato ab. Guten Abend, mein lieber Caddwg!«
    begrüßte er den Bootsmann herzlich. »Alles in Ordnung?«
    »Ja, nur daß die Welt untergeht«, gab Caddwg mißlaunig zurück.
    »Aber du hast die Truhe.« Merlin deutete auf die versiegelte Kiste. »Alles andere ist unwichtig.«
    Die elegante Jolle war früher einmal ein Palastboot gewesen, das benutzt wurde, um Passagiere vom Hafen zu den größeren Schiffen zu bringen, die weiter draußen ankern mußten. Merlin hatte es so eingerichtet, daß sie auf Abruf für ihn bereitstand. Jetzt stiegen wir ein und ließen uns auf dem Deck nieder, während der mürrische Caddwg das kleine Wasserfahrzeug auf das abendliche Meer hinausruderte. Ein einzelner Speer kam von oben herab, fiel aber neben uns ins Wasser. Davon abgesehen verlief unsere Flucht unbemerkt und ungestört. Merlin nahm mir die Katze ab und machte es sich zufrieden im Bug bequem, während Galahad und ich auf die sterbende Insel zurückblickten.
    Rauch wallte bis aufs Wasser herab. Die Schreie der Todgeweihten hallten wie Klagelieder durch den vergehenden Tag. Wir sahen, daß die dunklen Schatten der fränkischen Speerkämpfer immer noch den Damm überquerten und am anderen Ende platschend ins Wasser sprangen, um auf die gefallene Stadt zuzuwaten. Die Sonne sank, und in der Bucht wurde es dunkler, so daß die Flammen im Palast heller leuchteten. Ein Vorhang fing Feuer und loderte kurz auf, bevor er zu hauchfeiner Asche zerfiel. Die Bibliothek brannte am heftigsten; Schriftrolle um Schriftrolle zerplatzte zu schnell züngelnden Flammen und verwandelte diesen Teil des Palastes in ein Inferno. Es war König Bans Totenfeuer, das die ganze Nacht hindurch brannte.
    Galahad weinte. Er kniete auf dem Deck, den Speer in der Hand, und sah zu, wie sein Heim zu Staub zerfiel. Er bekreuzigte sich und sprach ein stilles Gebet, das die Seele seines Vaters zu jener Anderwelt tragen sollte, an die Ban glaubte. Das Meer war glücklicherweise ruhig. Es war rot und schwarz gefärbt, Blut und Tod, ein perfekter

Weitere Kostenlose Bücher