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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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aus den Augen zu verlieren, Lord.«
    »Du bist ein gefühlsduseliger Tor, Derfel!« Er drehte sich um und sah mich stirnrunzelnd an. »Ich hätte dich in Tanaburs'
    Grube zurückwerfen sollen. Trag diese Truhe in meine Kabine.«
    Merlin hatte die Kabine des Schiffsführers beschlagnahmt, in der ich nun die Holztruhe verstaute. Merlin duckte sich unter der niedrigen Tür hindurch, hantierte mit den Kissen des Kapitäns, um es sich bequem zu machen, und ließ sich dann mit einem zufriedenen Seufzer nieder. Die graue Katze sprang ihm auf den Schoß, während er auf einem groben Tisch, der von Fischschuppen glitzerte, die ersten paar Zoll der dicken Handschrift entrollte, die er unter Lebensgefahr gerettet hatte.
    »Was ist das?« wollte ich wissen.
    »Das ist der einzig wahre Schatz, den Ban besaß«, erklärte mir Merlin. »Alles andere war zumeist griechischer und römischer Mist. Ein paar gute Sachen, nehme ich an, doch nicht sehr viele.«
    »Also, was ist das nun?« fragte ich ihn abermals.
    »Dies ist ein Manuskript, mein lieber Derfel«, antwortete er, als wäre es töricht von mir, eine derartige Frage zu stellen. Er blickte durch das Dachluk hinauf zu dem Segel, das sich in dem noch immer vom Rauch aus Ynys Trebes verunreinigten Wind blähte. »Ein guter Wind!« sagte er fröhlich. »Vielleicht sind wir am Abend schon zu Hause. Ich habe Britannien vermißt.« Er blickte wieder auf die Schriftrolle. »Und Nimue?
    Wie geht es der lieben Kleinen?« fragte er, während er schon die ersten Zeilen las.
    »Als ich sie zum letztenmal sah«, antwortete ich verbittert,
    »war sie vergewaltigt worden und hatte ein Auge verloren.«
    »So etwas passiert zuweilen«, sagte Merlin unbekümmert. Seine Herzlosigkeit verschlug mir den Atem. Ich wartete ein wenig, dann fragte ich ihn, was denn so wichtig sei an dieser Schriftrolle.
    Er seufzte. »Du bist ein aufdringlicher Mensch, Derfel. Na schön, ich werde dir den Gefallen tun.« Er ließ das Pergament los, das sich von selbst wieder aufrollte, und lehnte sich in die klammen, fadenscheinigen Kissen des Schiffseigners zurück.
    »Du weißt natürlich, wer Caleddin war.«
    »Nein, Lord«, mußte ich zugeben.
    Verzweifelt warf er die Hände hoch. »Schämst du dich deiner Unwissenheit denn gar nicht, Derfel? Caleddin war ein Druide der Ordovicii. Ein jämmerlicher Stamm, ich sollte das wissen. Eine meiner Frauen war eine Ordovizierin, und eine solche Kreatur genügt für ein ganzes Leben. Nie wieder!« Er erschauerte bei der Erinnerung, dann schielte er zu mir empor.
    »Es war Gundleus, der Nimue vergewaltigt hat, stimmt's?«
    »Ja.« Ich fragte mich, woher er das wußte.
    »Dummer Kerl! Dummer Kerl!« Das grausige Schicksal seiner Liebesgefährtin schien ihn eher zu belustigen als zu erzürnen.
    »Wie wird er leiden müssen! Ist Nimue zornig?«
    »Sie ist rasend vor Wut.«
    »Gut. Wut ist etwas sehr Nützliches, und die liebe Nimue hat eine Begabung dafür. Eines der Dinge, die ich an den Christen nicht ausstehen kann, ist ihre Bewunderung für die Demut. Stell dir vor, Demut zur Tugend hochzuleben! Demut! Kannst du dir einen Himmel voller Demütiger vorstellen? Grauenhafte Idee! Das Essen würde eiskalt werden, weil jeder die Schüsseln zuerst dem anderen reichen will. Demut taugt nichts, Derfel. Zorn und Selbstsucht, das sind die Eigenschaften, die die Welt in Gang halten.« Er lachte. »Aber zurück zu Caleddin. Für einen Ordovizier war er ein recht guter Druide, natürlich bei weitem nicht so gut wie ich, aber er hatte seine guten Tage. Dein Versuch, Lancelot umzubringen, hat mich übrigens sehr erfreut; schade, daß du's nicht zu Ende gebracht hast. Vermutlich ist er jetzt aus der Stadt geflohen, ja?«
    »Sobald feststand, daß sie untergehen würde.«
    »Die Ratten sind immer die ersten, die das untergehende Schiff verlassen, sagen die Seeleute. Armer Ban. Er war ein Narr, aber ein guter Narr.«
    »Wußte er, wer Ihr seid?« fragte ich ihn.
    »Selbstverständlich«, antwortete Merlin. »Es wäre ausgesprochen unhöflich von mir gewesen, meinen Gastgeber zu täuschen. Natürlich hat er es niemandem gesagt, sonst wäre ich die ganze Zeit von diesen gräßlichen Dichtern belagert worden, die von mir verlangt hätten, ich soll ihnen die Falten wegzaubern. Du hast ja keine Ahnung, Derfel, wie lästig so ein bißchen Magie werden kann. O ja, Ban wußte, wer ich bin, und Caddwg ebenfalls. Er ist mein Diener. Der arme Hywel ist tot, nicht wahr?«
    »Wenn Ihr das schon wißt«, gab

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