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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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in der Toröffnung und hob beide Hände über seinen halb geschorenen Schädel. Er drehte den mit einem Halbmond gekrönten Stab, den er in der Hand trug, dreimal in Sonnenlaufrichtung; dann heulte er Merlins Turm an. Ein Ferkel galoppierte an seinen Beinen vorbei, suchte in der schlammigen Toröffnung mit den Hufen nach Halt und verschwand den Hang hinab. Wieder heulte Tanaburs, der regungslos dastand, um den Tor auf unsichtbare Feinde zu prüfen.
    Ein paar Sekunden lang herrschte Stille bis auf das Knattern des Banners und den schweren Atem der Krieger, die hinter dem Druiden den Berg heraufgeklettert waren. Gudovan, Merlins Schreiber, hatte sich, die Hände zum Schutz vor der Kälte mit tintenbefleckten Tuchstreifen umwickelt, zu mir gesellt. »Wer ist das?« fragte er mich und erschauerte, als ein klagender Schrei Tanaburs' Herausforderung erwiderte. Der Schrei kam aus der Halle, und er kam, wie ich erkannte, von Nimue.
    Tanaburs sah zornig aus. Er bellte wie ein Fuchs, berührte seine Genitalien, machte das Zeichen gegen das Böse und begann auf einem Bein auf die Halle zuzuhüpfen. Nach etwa fünf Schritten hielt er inne, um abermals seine
    Herausforderung hinauszubrüllen, da aber diesmal kein antwortender Schrei von innen kam, stellte er auch den zweiten Fuß auf den Boden und gab seinem Herrn durch das offene Tor ein Zeichen. »Es ist ungefährlich!« rief Tanaburs.
    »Kommt, Lord König, kommt nur herein!«
    »König?« fragte mich Gudovan. Ich erklärte ihm, wer die Besucher waren, und fragte dann, warum wohl Gundleus, unser Feind, auf den Tor gekommen sein mochte. Gudovan kratzte eine Laus unter seinem Hemd; dann zuckte er die Achseln. »Politik, Junge, Politik.«
    »Erzählt«, bat ich ihn.
    Gudovan seufzte, als wäre meine Frage Beweis für meine unverbesserliche Dummheit - seine übliche Entgegnung auf jede Frage -, ließ sich dann aber doch zu einer Antwort herab.
    »Norwenna ist heiratsfähig, Mordred ist ein Säugling, der beschützt werden muß, und wer kann einen Prinzen besser beschützen als ein König? Und wer wäre besser geeignet als ein feindlicher König, der dadurch zum Freund von Dumnonia werden kann? Im Grunde ist das alles ganz einfach, mein Junge, mit ein bißchen Nachdenken wärst du allein drauf gekommen und hättest nicht meine kostbare Zeit vergeuden müssen.« Zur Strafe versetzte er mir eine sanfte Kopfnuß.
    »Aber dann«, ergänzte er kichernd, »wird er Ladwys für eine Weile aufgeben müssen.«
    »Ladwys?« fragte ich ihn.
    »Seine Buhle, du dummer Bengel. Glaubst du vielleicht, ein König schläft allein? Manche Leute behaupten allerdings, Gundleus sei Ladwys so leidenschaftlich verfallen, daß er sich tatsächlich mit ihr vermählt habe! Er soll mit ihr zu Lleus Grabhügel gegangen sein, um den Bund von seinem Druiden schließen zu lassen, aber ich kann nicht glauben, daß er so dumm ist. Sie ist nicht von edlem Blut. Solltest du heute nicht für Hywel den Pachtzins ausrechnen?«
    Ich ignorierte die Frage und sah zu, wie Gundleus und seine Leibwachen vorsichtig durch den glitschigen Schlamm am Eingang wateten. Der König von Siluria war ein
    hochgewachsener, gutgebauter Mann von ungefähr dreißig Jahren. Damals, als seine Männer meine Mutter
    gefangengenommen und mich in die Todesgrube geworfen hatten, war er noch ein junger Mann gewesen, aber die etwa zwölf Jahre, die seit jener finsteren, blutigen Nacht vergangen waren, hatten ihn freundlich behandelt, denn er sah noch immer sehr gut aus. Sein langes schwarzes Haar und der Gabelbart wiesen noch keine Spur von Grau auf. Er trug einen Umhang aus Fuchspelz, kniehohe Lederstiefel, eine rostbraune Tunika und ein Schwert in einer roten Scheide. Seine Wachen waren ähnlich gekleidet; es waren durchweg hochgewachsene Männer, die Druidans traurige Schar verkrüppelter Speerträger weit überragten. Alle Silurier trugen Schwerter, kein einziger aber Speer oder Schild - ein Beweis dafür, daß sie in friedlicher Absicht kamen.
    Als Tanaburs in meine Nähe kam, wich ich unwillkürlich zurück. Damals, als er mich in die Grube warf, war ich ein Kleinkind gewesen, also bestand keine Gefahr, daß der Alte in mir einen Todesbetrüger erkannte, und nachdem es ihm nicht gelungen war, mich zu töten, brauchte ich ihn auch nicht mehr zu fürchten, aber ich zuckte noch immer vor dem silurischen Druiden zurück. Er hatte blaue Augen, eine lange Nase und einen schlaffen, sabbernden Mund. Er hatte sich Knochen in die Enden seiner langen,

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