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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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    Er winkte Tanaburs voranzugehen, aber der Druide zögerte. Merlin war der mächtigste Druide von Britannien, den man sogar jenseits des Westmeeres fürchtete, und niemand würde leichtfertig in sein Privatleben eindringen, aber der große Mann war seit vielen Monaten nicht mehr gesehen worden, und manche tuschelten, Prinz Mordreds Tod sei ein Zeichen dafür, daß Merlins Macht nachlasse. Außerdem war Tanaburs wie sein Herr fasziniert von der Frage, was sich hinter dieser Tür befand. Dort konnten Geheimnisse verborgen sein, die Tanaburs möglicherweise genauso mächtig und gelehrt wie den großen Merlin selbst machen würden. »Öffnet die Tür!«
    befahl Gundleus Tanaburs.
    Das Ende des Mondstabes bewegte sich zitternd auf einen der Schädel zu, verhielt einen Moment - und berührte das vergilbte Schädeldach. Nichts geschah. Tanaburs spuckte auf den Schädel und stieß ihn um. Dann riß er seinen Stab so hastig zurück wie ein Mann, der eine schlafende Natter aufgestört hat. Als daraufhin abermals nichts geschah, griff er mit der freien Hand nach dem hölzernen Riegel der Tür. Und erstarrte vor Angst und Schrecken.
    Wildes Geheul echote durch das rauchige Dämmerlicht der Halle. Ein grauenhaftes Kreischen, als würde ein junges Mädchen gefoltert, warf den entsetzten Druiden zurück. Norwenna, die vor Angst laut aufschrie, bekreuzigte sich. Mordred, der Säugling, begann zu weinen, und Ralla vermochte ihn nicht zu beruhigen. Gundleus zuckte zunächst bei dem Lärm zusammen; als das Geheul dann wieder abschwoll, lachte er. »Ein Krieger«, verkündete er der verängstigten Halle, »fürchtet sich nicht vor dem Geschrei eines Mädchens.« Damit schritt er auf die Tür zu, wobei er Bischof Bedwin ignorierte, der den König mit flatternden Händen zurückzuhalten versuchte, ohne ihn tatsächlich zu berühren.
    Ein Krachen kam von der durch Geister bewachten Tür. Es war ein lautes, splitterndes Geräusch und kam so plötzlich, daß alle Anwesenden erschrocken zusammenzuckten. Zunächst dachte ich, die Tür sei unter dem Ansturm des Königs zerborsten. Dann sah ich, daß ein Speer
    hindurchgetrieben worden war. Die silbrige Spitze hob sich deutlich von dem alten, rußgeschwärzten Eichenholz ab, und ich versuchte mir vorzustellen, welch einer unmenschlichen Kraft es bedurfte, diesen geschärften Stahl durch ein so wuchtiges Hindernis zu stoßen.
    Bei dem plötzlichen Erscheinen der Speerspitze hatte sogar Gundleus innegehalten, aber sein Stolz war bedroht, und er wollte sich vor den Augen seiner Krieger nicht zurückziehen. Also machte er das Schutzzeichen gegen das Böse, spuckte auf die Speerspitze, trat an die Tür, hob den Riegel und stieß
    die Tür auf.
    Um augenblicklich mit vor Entsetzen verzerrtem Gesicht einen Schritt zurückzuweichen. Ich beobachtete ihn und sah die nackte Angst in seinen Augen. Er trat noch einen Schritt zurück. Dann hörte ich Nimues schrillen Schrei, während sie sich von innen her der Halle näherte. Tanaburs fuchtelte hektisch mit seinem Stab herum, Bedwin betete, der Säugling weinte, und Norwenna wandte sich mit angstvoller Miene in ihrem Sessel um.
    Auf einmal trat Nimue vor die Tür. Als ich meine Freundin sah, erschauerte sogar ich vor Schreck. Denn sie war nackt, und ihr magerer weißer Körper war rot von dem Blut, das aus ihren Haaren tropfte und in Streifen an ihren kleinen Brüsten vorbei bis auf ihre Schenkel rann. Ihr Kopf war von einer Totenmaske gekrönt – der gegerbten Gesichtshaut eines geopferten Mannes -, die wie ein fauchender Helm oberhalb ihres eigenen Antlitzes saß und von der Haut der Arme des Toten gehalten wurde, die um ihren dünnen Hals geknotet war. Die Maske schien ein gräßliches Eigenleben zu besitzen, denn als Nimue auf den silurischen König zuschritt, blieb sie unablässig in Bewegung. Die trockene, gelbliche Körperhaut des Toten hing über ihren Rücken herab. Sie stolperte mit kleinen, unregelmäßigen Schritten vorwärts, und in ihrem
    blutverschmierten Gesicht war nur das Weiße ihrer Augen zu sehen. Während sie sich vorwärtstastete, stieß sie ständig Verwünschungen in einer Sprache aus, die noch widerwärtiger war als die der Krieger. In den Händen hielt sie zwei Vipern, deren dunkle Leiber glänzten und die ihre züngelnden Köpfe dem König entgegenreckten.
    Gundleus wich zurück und machte hastig das Zeichen gegen das Böse. Dann fiel ihm ein, daß er ein Mann war, ein König und ein Krieger, und er legte die Hand ans

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