Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
zweifellos viele weit schönere und kostbarere verwahrte, und der Torques an ihrem Hals war viermal so schwer wie jener, der zu ihren Füßen lag. Gundleus' Spangen bestanden aus dünnem Gold, das Trinkhorn war am Rand beschädigt. Nur die grüne römische Karaffe war wirklich wertvoll.
Bedwin brach das verlegene Schweigen. »Die Geschenke sind wundervoll! Kostbar und wundervoll. Wahrhaft großzügig, Lord König.«
Norwenna nickte gehorsam. Das Kind begann zu weinen, und Ralla, die Amme, trug es in die Schatten hinter den Säulen, wo sie eine Brust entblößte, um es zu stillen.
»Ist der Prinz wohlauf?« Es waren Gundleus' erste Worte, seit er die Halle betreten hatte.
»Gott und allen Heiligen sei Dank, ja«, antwortete Norwenna.
»Und sein linker Fuß?« erkundigte sich Gundleus taktlos.
»Wird er gesunden?«
»Sein Fuß wird ihn nicht daran hindern, ein Pferd zu reiten, ein Schwert zu führen oder auf einem Thron zu sitzen«, gab Norwenna energisch zurück.
»Gewiß nicht, gewiß nicht«, entgegnete Gundleus und warf einen Blick zu dem hungrigen Säugling hinüber. Er lächelte, dann reckte er die langen Arme und ließ den Blick durch die Halle wandern. Von einer Vermählung sagte er nichts, aber das würde er in dieser Runde niemals tun. Wenn er Norwenna ehelichen wollte, würde er Uther fragen, nicht Norwenna. Dieser Besuch war lediglich eine Gelegenheit für ihn, seine Braut zu begutachten. Er warf Norwenna einen kurzen, desinteressierten Blick zu, dann betrachtete er wieder die düstere Halle. »Das ist also Lord Merlins Behausung, eh?«
sagte Gundleus. »Wo ist er?«
Niemand antwortete. Tanaburs fingerte unter dem Rand eines Teppichs herum, und ich vermutete, daß er einen Zauber im Erdboden der Halle vergrub. Später, als die silurische Gruppe verschwunden war, durchsuchte ich die Stelle und fand eine kleine Knochenschnitzerei in Gestalt eines Ebers, die ich ins Feuer warf. Die Flammen loderten bläulich auf und knisterten heftig, und Nimue sagte, ich hätte das Richtige getan.
»Lord Merlin hält sich, wie wir glauben, in Irland auf«, antwortete Bischof Bedwin schließlich. »Oder vielleicht in der nördlichen Wildnis«, ergänzte er unbestimmt.
»Oder er ist vielleicht tot?« fragte Gundleus.
»Ich bete darum, daß das nicht zutrifft«, sagte der Bischof inbrünstig.
»Tatsächlich?« Gundleus drehte sich um, um in Bedwins faltiges Gesicht zu blicken. »Ihr billigt Merlin, Bischof?«
»Er ist ein Freund, Lord König«, gab Bedwin zurück. Er war ein würdevoller, rundlicher Mann und stets darauf bedacht, den Frieden zwischen den verschiedenen Religionen zu wahren.
»Lord Merlin ist ein Druide, Bischof, der Christen haßt.«
Gundleus versuchte Bedwin herauszufordern.
»Mittlerweile gibt es viele Christen in Britannien«, erwiderte Bedwin, »und wenige Druiden. Ich denke, wir, die wir vom wahren Glauben sind, haben nichts zu befürchten.«
»Habt Ihr das gehört, Tanaburs?« rief Gundleus seinem Druiden zu. »Der Bischof fürchtet Euch nicht!«
Tanaburs antwortete nicht. Auf seinem Rundgang durch die Halle war er zu dem Geisterzaun gelangt, der die Tür zu Merlins Gemächern schützen sollte. Es war ein eher einfacher Zaun, der aus zwei Schädeln links und rechts neben der Tür bestand, doch nur ein Druide würde es wagen, die unsichtbare Schranke zu durchbrechen, und selbst ein Druide würde sich vor einem von Merlin errichteten Geisterzaun fürchten.
»Werdet Ihr heute nacht hier ruhen?« wandte sich Bischof Bedwin an Gundleus, um das Thema zu wechseln und von Merlin abzulenken.
»Nein«, gab Gundleus unhöflich zurück und stand auf. Ich dachte, er wolle sich verabschieden, statt dessen jedoch spähte er an Norwenna vorbei zu der schmalen, schwarzen, von Schädeln bewachten Tür hinüber, vor der Tanaburs herumspürte wie ein Jagdhund, der einen unsichtbaren Eber wittert. »Was befindet sich hinter jener Tür?« fragte der König.
»Die Gemächer meines Lord Merlin, Lord König«, antwortete Bedwin.
»Ein Ort der Geheimnisse?« wollte Gundleus mit wölfischem Grinsen wissen.
»Nur Schlafgemächer, weiter nichts«, erklärte Bedwin abwehrend.
Tanaburs hob seinen mondgekrönten Stab und streckte ihn bebend dem Geisterzaun entgegen. König Gundleus
beobachtete die Vorstellung seines Druiden; dann leerte er seinen Wein und warf das Trinkhorn einfach zu Boden.
»Vielleicht werde ich doch hier übernachten«, sagte der König,
»aber zuerst wollen wir uns diese Schlafgemächer
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