Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Nimue, ob Aelle Wort halten werde. Sie nickte und sagte, sie habe im Traum gesehen, daß der Sachse sich an die Abmachung halten werde und die Geiseln heil und sicher zurückkehren würden.
»Aber Rataes Blut klebt an Euren Händen«, verkündete sie düster.
Wir packten und machten uns für den Marsch bereit, der erst bei Morgengrauen des folgenden Tages beginnen sollte. Arthur war nie sehr glücklich, wenn er untätig herumsitzen mußte, und so bat er Sagramor und mich gegen Abend, mit ihm einen Spaziergang in den Wald südlich der Steine zu machen. Eine Weile hatte ich den Eindruck, daß wir ziellos umherwanderten, doch schließlich blieb Arthur unter einer riesigen Eiche stehen, von der lange Bärte grauer Flechten herabhingen. »Ich fühle mich schmutzig«, sagte er. »Ich habe meinen Schwur, Benoic zu helfen, nicht gehalten, und nun erkaufe ich den Tod von Hunderten von Briten.«
»Ihr hättet Benoic nicht retten können«, behauptete ich.
»Ein Land, das Poeten kauft statt Speerkämpfer, verdient es nicht, gerettet zu werden«, ergänzte Sagramor.
»Ob ich es hätte retten können oder nicht«, wandte Arthur ein,
»spielt keine Rolle. Ich habe Ban einen Eid geleistet und ihn nicht gehalten.«
»Ein Mann, dessen Haus niederbrennt, trägt kein Wasser zum Brand seines Nachbarn«, sagte Sagramor. Sein schwarzes Gesicht, ebenso undurchdringlich wie Aelles, hatte die Sachsen fasziniert. Viele von ihnen hatten in den vergangenen Jahren gegen ihn gekämpft und geglaubt, er sei eine Art Dämon, den Merlin herbeigezaubert habe, und Arthur hatte diese Furcht ausgenutzt, indem er andeutete, er werde Sagramor zur Verteidigung der neuen Grenze zurücklassen. In Wirklichkeit aber wollte Arthur Sagramor nach Gwent mitnehmen, denn für den Kampf gegen Gorfyddyd brauchte er seine besten Männer. »Daß Ihr Euren Eid für Benoic unmöglich halten konntet«, fuhr Sagramor fort, »werden die Götter Euch mit Sicherheit vergeben.« Sagramor hatte eine gesunde, pragmatische Auffassung von Göttern und Menschen, und das gehörte zu seinen Stärken.
»Die Götter mögen mir vergeben«, entgegnete Arthur, »ich selbst aber kann es nicht. Und nun bezahle ich die Sachsen dafür, daß sie Briten töten.« Schon bei dem Gedanken erschauerte er. »Gestern abend habe ich mir gewünscht, Merlin wäre da«, gestand er, »weil ich gern gewußt hätte, ob er billigen würde, was wir tun.«
»Das würde er«, entgegnete ich. Gewiß, Nimue mißbilligte Rataes Preisgabe, aber Nimue war schon immer reineren Herzens als Merlin gewesen. Sie begriff die Notwendigkeit, die Sachsen zu bezahlen, fühlte sich von dem Gedanken, mit britischem Blut zu bezahlen, jedoch abgestoßen, selbst wenn es das Blut unserer Feinde war.
»Aber was Merlin denkt, ist unwichtig«, sagte Arthur zornig.
»Es würde nicht einmal etwas bedeuten, wenn jeder Priester, Druide und Barde in Britannien mit mir einverstanden wäre. Den Segen eines anderen Menschen erbitten bedeutet nichts weiter, als sich der Verantwortung zu entziehen. Nimue hat recht, ich werde für die Toten von Ratae verantwortlich sein.«
»Aber was sonst hättet Ihr tun sollen?« fragte ich ihn.
»Ihr versteht das nicht, Derfel«, warf Arthur mir bitter vor, obwohl er in Wirklichkeit sich selbst beschuldigte. »Ich wußte von vornherein, daß Aelle mehr wollen würde als nur Gold. Es sind Sachsen! Die wollen keinen Frieden, die wollen Land!
Das wußte ich, warum sonst hätte ich diesen armen Mann aus Ratae mitbringen sollen? Noch ehe Aelle fordern konnte, war ich bereit zu geben, und wie viele Männer werden für diese Voraussicht sterben müssen? Dreihundert? Und wie viele Frauen werden in die Sklaverei verschleppt? Zweihundert?
Wie viele Kinder? Wie viele Familien werden
auseinandergerissen? Und wozu? Um zu beweisen, daß ich ein besserer Führer bin als Gorfyddyd? Ist mein Leben denn so viele Seelen wert?«
»Diese Seelen«, wandte ich ein, »werden Mordred auf dem Thron halten.«
»Auch so ein Eid!« sagte Arthur verbittert. »All diese Eide, die uns binden! Uther gegenüber bin ich durch einen Eid daran gebunden, seinen Enkel auf den Thron zu setzen, Leodegan gegenüber bin ich durch einen Eid gebunden, Henis Wyren zurückzuerobern.« Unvermittelt unterbrach er sich, und Sagramor warf mir einen beunruhigten Blick zu, denn wir hörten beide zum erstenmal von einem Eid, Diwrnach zu vertreiben, den gefürchteten irischen König von Lleyn, der Leodegans Land erobert hatte. »Und ausgerechnet
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