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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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verbergen.
    »Ach, Derfel.« Nimue ließ die Schultern hängen. »Überleg doch mal. Nicht jeder kann die Gegenwart der Götter spüren, deshalb haben ja auch jene, die es können, eine ganz besondere Verpflichtung. Wenn ich Schwäche zeige, wenn ich einen Augenblick lang Unglauben erkennen lasse - was gibt es dann noch an Hoffnung für die Menschen, die glauben wollen? Es sind im Grunde eigentlich keine Tricks, es sind…«
    - sie hielt inne und suchte nach dem richtigen Wort -
    »Insignien. Genau wie Uthers Krone, seine Torques, sein Banner und sein Stein auf Caer Cadarn. Diese Dinge verkünden uns, daß Uther der Großkönig ist, und wir behandeln ihn dementsprechend, und wenn Merlin sich unter sein Volk begibt, muß auch er seine Insignien tragen. Damit zeigt er den Menschen, daß er die Götter berührt, und die Menschen fürchten ihn dafür.« Sie deutete auf die Tür mit dem zersplitterten Speerloch. »Als ich nackt, mit zwei Schlangen und einer Fledermaus, die unter der Haut eines Toten versteckt war, durch diese Tür trat, stand ich einem König, seinem Druiden und seinen Kriegern gegenüber. Ein junges Mädchen, Derfel, gegen einen König, einen Druiden und eine königliche Leibwache. Und wer hat gewonnen?«
    »Du.«
    »Also hat der Trick gewirkt, aber es war nicht meine Macht, die das zustande gebracht hat. Es war die Macht der Götter. Allerdings mußte ich an diese Macht glauben, damit der Trick wirken konnte. Und um glauben zu können, Derfel, muß man sein ganzes Leben dieser Aufgabe widmen.« Sie sprach jetzt mit einer außergewöhnlich intensiven Leidenschaft. »Jede Minute eines jeden Tages und in jedem Augenblick einer jeden Nacht muß man für die Götter offen sein. Dann werden sie zu einem kommen. Nicht immer dann, wenn man es will, natürlich, aber wenn man sie niemals bittet, werden sie einem nie antworten; doch wenn sie antworten, Derfel, o ja, wenn sie antworten, dann ist es so wundervoll und so schrecklich, als hätte man Schwingen, die einen hoch hinauf in Glanz und Glorie tragen.« Ihre Augen strahlten. Noch nie hatte ich erlebt, daß sie von diesen Dingen sprach. Vor kurzem noch war sie ein Kind gewesen, nun aber hatte sie Merlins Lager geteilt und seine Lehren und seine Macht in sich aufgenommen, und das gefiel mir nicht. Ich war eifersüchtig und zornig, und ich begriff nichts mehr. Sie entwuchs mir, und ich konnte es nicht verhindern.
    »Ich bin offen für die Götter«, verkündete ich gereizt. »Ich glaube an sie. Ich wünsche mir ihre Hilfe.«
    Mit ihrer bandagierten Hand berührte sie mein Gesicht. »Du wirst ein Krieger werden, Derfel, ein sehr großer. Du bist ein guter Mensch, du bist ehrlich, du bist so gerade wie Merlins Turm, und in dir ist nicht die kleinste Spur von Wahnsinn. Keine Spur; nicht mal ein vereinzelter, verzweifelter Funke. Glaubst du vielleicht, es ist mein Wunsch , Merlin zu folgen?«
    »Ja«, antwortete ich gekränkt. »Ich weiß genau, daß es so ist!« Damit wollte ich natürlich sagen, daß ich gekränkt war, weil sie sich nicht ausschließlich mir widmen wollte. Sie holte tief Luft und starrte in das schattige Dachgebälk hinauf, wo zwei Tauben durch den Rauchabzug
    hereingeflogen waren und nun auf einem Balken
    entlangtrippelten. »Manchmal«, sagte sie, »würde ich, glaube ich, gern heiraten, Kinder haben, zusehen, wie sie aufwachsen, selber alt werden und sterben; aber von all dem, Derfel« - wieder sah sie mir in die Augen - »wird mir nur das letzte zuteil werden. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, die drei Wunden der Weisheit erdulden zu müssen, aber ich muß. Ich muß!«
    »Die drei Wunden?« Davon hatte ich noch nie gehört.
    »Die Wunde des Körpers«, erklärte mir Nimue, »die Wunde des Stolzes…« - hier berührte sie sich zwischen den Beinen -
    »und die Wunde des Geistes. Das ist der Wahnsinn.« Sie hielt inne, und ein Ausdruck des Grauens zog über ihr Gesicht.
    »Merlin hat alle drei erlitten, deswegen ist er ein so weiser Mann. Morgan hat die schlimmste Wunde des Körpers erlitten, die man sich vorstellen kann, aber sie hat die anderen beiden Wunden nicht erlitten, darum wird sie den Göttern niemals wirklich gehören. Ich selbst habe noch keine der drei erlitten, aber das wird noch kommen. Es muß!« Sie sagte es heftig.
    »Es muß kommen, weil ich auserwählt bin.«
    »Warum wurde ich nicht auserwählt?« wollte ich wissen. Sie schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht, Derfel. Niemand hat mich auserwählt, einzig ich selbst. Du

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