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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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schrie seinen Namen hinaus, als ich das Schwert seitlich auf den Hals des Siluriers hinabsausen ließ.
    Es geschah alles so schnell, so furchtbar schnell! Das Handgelenk lenkt das Schwert, aber der Arm verleiht ihm Kraft, und mein Arm besaß an jenem Nachmittag Hywels gefährliche Kraft. Mein Stahl bohrte sich so tief in den Hals des Siluriers wie eine Axt in fauliges Holz. Anfangs dachte ich
    - so grün war ich -, er sei nicht tot, und zog das Schwert heraus, um noch einmal zuzuschlagen. Beim zweiten Hieb jedoch merkte ich, wie das Blut aufspritzte und der Mann zur Seite fiel; ich hörte seinen rasselnden Atem und sah, wie er im Sterben versuchte, zu einem zweiten Stoß mit dem Speer auszuholen. Dann aber gurgelte das Leben in seiner Kehle, wieder ergoß sich ein Schwall Blut über seine ledergepanzerte Brust, und er sackte auf dem welken Laubteppich zusammen. Und ich stand da und zitterte. Auf einmal hätte ich am liebsten geweint. Ich hatte keine Ahnung, was ich getan hatte. Ich fühlte mich nicht wie ein Sieger, sondern war eher schuldbewußt. Und so stand ich da, verstört und regungslos, während mein Schwert noch in der Kehle des Toten steckte, auf dem sich bereits die ersten Fliegen niederließen. Ich vermochte mich nicht zu rühren.
    Hoch oben im Laub schrie ein Vogel, dann spürte ich Gwlyddyns starken Arm auf meinen Schultern, und mir strömten die Tränen übers Gesicht. »Du bist ein guter Mann, Derfel«, lobte mich Gwlyddyn, und ich wandte mich zu ihm um und umarmte ihn wie ein Kind seinen Vater. »Gut gemacht«, sagte er immer wieder, »gut gemacht.« Er tätschelte mich ungeschickt, bis es mir endlich gelang, die Tränen wegzuschniefen.
    »Tut mir leid«, hörte ich mich sagen.
    »Leid?« Er lachte. »Wieso denn? Hywel hat immer gesagt, daß du der Beste bist, den er je ausgebildet hat, und ich hätte ihm glauben sollen. Du bist schnell. Und nun komm, wir müssen nachsehen, was wir erobert haben.«
    Ich nahm mir die Schwertscheide meines Opfers, die aus Leder, verstärkt mit Weidenzweigen, bestand, und stellte fest, daß Hywels Schwert einigermaßen hineinpaßte. Dann durchsuchten wir die beiden Toten nach der geringen Beute, die sie bei sich trugen: einen unreifen Apfel, eine alte, abgewetzte Münze, zwei Mäntel, die Waffen, ein paar Lederriemen und ein Messer mit Beingriff. Gwlyddyn erwog, zurückzugehen und die beiden Pferde zu holen, entschied dann aber, daß uns keine Zeit dazu blieb. Mir war es gleichgültig. Meine Sicht mochte durch Tränen beeinträchtigt sein, aber ich war am Leben, ich hatte einen Mann getötet und meinen König verteidigt, und auf einmal war ich überglücklich, während Gwlyddyn mich zu den verängstigten Flüchtlingen zurückführte und zum Zeichen, daß ich gut gekämpft hatte, meinen Arm emporhielt.
    »Ihr habt viel zuviel Lärm gemacht, ihr beiden«, fauchte Morgan. »Nicht lange, und wir werden halb Siluria auf den Fersen haben. Also los jetzt! Bewegt euch!«
    Nimue schien sich für meinen Sieg nicht zu interessieren, aber Lunete wollte alles darüber wissen. Bei der Beschreibung der Feinde und des Kampfes übertrieb ich schamlos, und Lunetes Bewunderung spornte mich zu weiteren Übertreibungen an. Sie hatte ihren Arm wieder unter den meinen geschoben, und ich betrachtete ihr Gesicht mit den dunklen Augen und fragte mich, warum mir noch nie aufgefallen war, wie schön sie war. Genau wie Nimue hatte sie ein dreieckiges Gesicht, doch während aus Nimues Antlitz skeptisches Wissen sprach, strahlte Lunetes eine erregende Wärme aus, und ihre Nähe verlieh mit neues Selbstvertrauen. So zogen wir durch den langen Nachmittag, bis wir uns endlich nach Osten den Bergen zuwandten, unter denen Caer Cadarn wie ein Vorreiter emporragte.
    Eine Stunde später machten wir am Rand des Caer Cadarn gegenüberliegenden Waldes halt. Es war schon spät, aber es war Hochsommer, und die Sonne stand noch hoch am Himmel. Ihr schönes, sanftes Licht übergoß die westlichen Wälle von Caer Cadarn mit grünem Leuchten. Wir waren noch eine Meile von der Burg entfernt, aber schon nah genug, um die gelben Palisaden oben auf den Wällen zu sehen, nah genug, um zu sehen, daß keine Wachen auf den Wällen standen und kein Rauch aus der kleinen Siedlung im Inneren aufstieg.
    Ebensowenig war irgendein Feind in Sicht. Deswegen beschloß Morgan, die Ebene zu überqueren und über den westlichen Pfad zur königlichen Burg aufzusteigen. Gwlyddyn meinte, wir sollten bis zur Abenddämmerung im Wald ausharren

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