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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wie wir anderen fürchtete sich Lunete inzwischen ein wenig vor dieser neuen, bitteren, bissigen Nimue.
    »Ein hübsches Mädchen«, sagte Owain widerwillig über Lunete, »aber die Mädchen leben nur aus einem einzigen Grund mit Kriegern zusammen, Junge: Sie wollen reich werden. Also sieh zu, daß du sie bei Laune hältst, sonst wird sie dir, so wahr ich hier stehe, das Leben schwermachen.« Er wühlte in den Taschen seiner Jacke und zog einen schmalen Goldring hervor. »Den gibst du ihr«, befahl er mir. Ich stammelte meinen Dank. Man erwartete von
    Soldatenführern, daß sie ihren Gefolgsleuten Geschenke machten, ein solcher Ring aber war eine wahrhaft großzügige Gabe, denn ich hatte bisher noch keinen Kampf als Owains Gefolgsmann bestanden. Lunete freute sich über den Ring, den sie, zusammen mit einem Silberdraht vom Knauf meines Schwertes, als Grundstein für ihren persönlichen Schatz betrachtete. Sie ritzte ein Kreuz in die abgenutzte Fläche des Rings - nicht etwa, weil sie Christin war, sondern weil das Kreuz ihn zum Liebesring und zum Beweis dafür machte, daß
    sie vom Mädchen zur Frau geworden war. Auch manche Männer trugen Liebesringe, aber ich sehnte mich nach den schlichten Eisenringen, die sich siegreiche Krieger aus den Speerspitzen ihrer unterlegenen Feinde schmiedeten. Owain trug eine ganze Reihe solcher Ringe im Bart, und viele weitere schmückten seine Finger. Arthur dagegen trug, wie ich festgestellt hatte, keinen einzigen.
    Sobald die Ernte von den Feldern rings um Caer Cadarn eingebracht worden war, marschierten wir durch ganz Dumnonia, um den königlichen Anteil einzutreiben. Wir besuchten Vasallenkönige und Häuptlinge und wurden ständig von einem Schreiber aus Mordreds Schatzamt begleitet, der die Höhe der Steuern ausrechnete. Die Vorstellung, daß
    Mordred jetzt König war und wir nicht mehr Uthers Schatzkammern füllten, war seltsam, aber sogar ein Kindkönig brauchte Geld, um sowohl Arthurs Reiter als auch die vielen anderen Soldaten zu bezahlen, die Dumnonias Grenzen sicherten. Einige von Owains Männern wurden ausgeschickt, um die ständigen Wachmannschaften in Gereints
    Grenzfestung in Durocobrivis zu verstärken, während wir anderen für eine Weile zu Steuereinnehmern wurden. Ich staunte, daß Owain, der doch für seine Liebe zum Kriegshandwerk berühmt war, weder mit nach Durocobrivis zog noch nach Gwent zurückkehrte, sondern sich an der alltäglichen Aufgabe der Steuerberechnung beteiligte. Mir selbst kam diese Arbeit knechtisch vor, aber ich war nichts als ein flaumbärtiger Knabe, dem Owains Gedankengänge ein Rätsel waren.
    Steuern waren für Owain offenbar wichtiger als alle Sachsen. Steuern waren, wie ich noch lernen sollte, die beste Quelle des Reichtums für Männer, die nicht arbeiten wollten, und die Steuersaison nach Uthers Tod war für Owain die Gelegenheit. Um die Abgaben niedrig zu halten, meldete er von Hof zu Hof eine sehr schlechte Ernte, während er seine eigene Börse mit den Bestechungsgeldern füllte, die er für seine falschen Berichte erhielt. Seltsamerweise äußerte er sich recht offen über diese Geschäfte. »Bei Uther wäre ich nicht damit durchgekommen«, erklärte er mir eines Tages, als wir entlang der Südküste auf die römische Stadt Isca zumarschierten. Von dem verstorbenen König sprach er voll Zuneigung. »Uther war ein gerissener alter Bastard und hatte immer eine recht genaue Ahnung von dem, was ihm zustand. Aber was weiß
    Mordred schon?« Er blickte nach links. Wir überquerten eine weite, kahle Heidelandschaft auf einem großen Hügel und sahen im Süden das Glitzern des leeren Meeres. Dort blies der Wind so kräftig, daß die grauen Wogen weiß gefleckt waren. Weit hinten im Osten, wo ein langer, geschwungener Kiesstrand endete, lag eine mächtige Halbinsel, an der die Wogen vom Wind zu Schaum gepeitscht wurden. Die
    Halbinsel war fast eine Insel, die mit dem Festland nur durch einen schmalen Damm aus Steinen und Kies verbunden war.
    »Weiß du, was das ist?« fragte mich Owain und deutete mit dem Kinn hinüber.
    »Nein, Lord.«
    »Die Toteninsel«, sagte er und spie aus, um das Unglück abzuwenden, während ich innehielt und zu diesem furchtbaren Ort, der Heimstatt dumnonischer Alpträume, hinüberstarrte. Diese Landzunge war die Insel der Wahnsinnigen, jener Ort, an den Pellinore und all die anderen wahnsinnigen und gewalttätigen Seelen gehörten, die im selben Moment, da sie den schwerbewachten Damm betraten, für tot galten.

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