Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
fassen, und einige der zuschauenden Männer brachen angesichts dieser grotesken Jagd in brüllendes Gelächter aus. Mir fiel es schwer, nicht zu kichern. Owain richtete den Blick wieder auf Cadwy. »Dann zieht doch da rauf und legt ein paar von diesen Bastarden um, Lord Fürst«, sagte er, als sei das die einfachste Lösung der Welt.
»Kann ich nicht«, erwiderte Cadwy.
»Und warum nicht?«
»Weil Uther ihnen Schutz gewährt hat. Wenn ich sie angreife, werden sie sich beim Rat und bei König Mark beschweren, und ich werde ihnen sarhaed zahlen müssen.« Sarhaed war der gesetzlich festgelegte Blutpreis für einen Mann. Der sarhaed für einen König war unbezahlbar, der für einen Sklaven extrem gering, aber ein guter Minenarbeiter brachte vermutlich einen so hohen Preis, daß es selbst einen so wohlhabenden Fürsten wie Cadwy schmerzen mußte.
»Und wie wollen die feststellen, wer sie überfallen hat?« fragte Owain verächtlich.
Statt einer Antwort tippte sich Cadwy an die Wange. Die blauen Tätowierungen, meinte er damit, würden seine Männer verraten.
Owain nickte. Das gebutterte Mädchen war endlich eingefangen und wurde nun inmitten einiger Büsche, die auf der unteren Terrasse standen, von seinen Häschern umringt. Owain zerbröselte ein Stück Brot, dann hob er den Kopf und sah Cadwy an. »Und?«
»Und«, sagte Cadwy listig, »wenn ich einen Haufen Männer finden könnte, die diese Bastarde ein bißchen aufmischen, wäre mir sehr damit geholfen. Dann würden sie mich nämlich um Schutz bitten, versteht Ihr? Und mein Preis wird dann das Zinn sein, das sie an König Mark schicken. Und Euer Preis
…« - er hielt inne, um sich zu vergewissern, daß Owain über diese Andeutung nicht schockiert war - »wäre die Hälfte dessen, was das Zinn einbringt.«
»Wieviel?« erkundigte sich Owain rasch. Die beiden Männer unterhielten sich so leise, daß ich mich voll konzentrieren mußte, um bei dem lärmenden Lachen und Brüllen der Krieger etwas verstehen zu können.
»Fünfzig Goldstücke pro Jahr. So wie das hier«, sagte Cadwy, entnahm einem Beutel einen Goldbarren von der Größe eines Schwertgriffs und schob ihn über den Tisch.
»So viel?« Selbst Owain war baß erstaunt.
»Ziemlich ergiebiger Boden, das Moor«, erklärte Cadwy grimmig. »Ziemlich ergiebig.«
Owain blickte auf Cadwys Tal hinaus, wo das Spiegelbild des Mondes auf dem fernen Fluß flach und silbrig wie eine Schwertklinge lag. »Wie viele Minenarbeiter leben dort?«
fragte er den Fürsten schließlich.
»In der nächst gelegenen Siedlung«, erklärte Cadwy, »gibt es siebzig bis achtzig Männer. Und außerdem natürlich eine gewisse Anzahl Sklaven und Frauen.«
»Wie viele Siedlungen?«
»Drei, aber die beiden anderen liegen ein Stück entfernt. Mich interessiert nur diese eine.«
»Wir sind nur zwanzig«, gab Owain zu bedenken.
»Bei Nacht«, erwiderte Cadwy. »Und außerdem sind sie noch nie überfallen worden und werden keine Wachen aufstellen.«
Owain trank Wein aus seinem Horn. »Siebzig Goldstücke«, erklärte er dann energisch, »nicht fünfzig.«
Fürst Cadwy dachte einen Augenblick nach und nickte dann zum Zeichen des Einverständnisses.
Owain grinste. »Warum nicht, eh?« sagte er. Damit griff er nach dem Goldbarren und fuhr dann schnell wie eine Natter herum und sah zu mir empor. Ich verzog keine Miene und wandte den Blick nicht von einem nackten Mädchen, das sich um einen von Cadwys tätowierten Kriegern wand. »Schläfst du, Derfel?« fuhr Owain mich an.
Ich zuckte zusammen, als hätte er mich erschreckt. »Lord?«
fragte ich und tat so, als wäre ich mit meinen Gedanken in den letzten Minuten ganz woanders gewesen.
»Guter Junge«, lobte mich Owain, überzeugt, daß ich nichts gehört hatte. »Möchtest du vielleicht eins von diesen Mädchen?«
Ich errötete. »Nein, Lord.«
Owain lachte. »Er hat sich gerade erst eine hübsche, kleine Irin genommen«, erzählte er Cadwy, »und der will er treu bleiben. Aber er wird schon noch lernen. Wenn du in die Anderwelt gehst, Junge…« - damit wandte er sich wieder an mich - »wirst du nicht einen Kampf bereuen, bei dem du keinen Mann getötet hast, dafür aber jede einzelne Frau, die du dir hast entgehen lassen.« Er sagte es freundlich. Während der ersten Tage meines Dienstes bei ihm hatte ich Angst vor ihm gehabt, aus irgendeinem Grund aber schien Owain mich zu mögen und behandelte mich gut. Jetzt wandte er sich wieder Cadwy zu. »Morgen nacht«, sagte er leise.
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