Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
hinkender Gang. Er rührte sich nicht, bis sie ihre verunstaltete, behandschuhte Hand in eine Schale getaucht hatte und ihn nach kurzer Überlegung am oberen Bauch berührte. Bei der Berührung zuckte Wlenca
    erschrocken zusammen, hielt aber sofort wieder still. Morgan hatte ihre Hand in eine Schale mit frischem Ziegenblut getaucht, das nun als feuchtes grellrotes Zeichen auf Wlencas magerem, bleichem Bauch prangte.
    Morgan schritt davon. Die Zuschauer verhielten sich ganz still und schwiegen ängstlich, denn dies war ein
    ehrfurchtgebietender Augenblick der Wahrheit. Gleich würden die Götter zu Dumnonia sprechen.
    Owain betrat den Kreis. Er hatte sein Schwert abgelegt und trug statt dessen seinen schwarzgeschäfteten Kriegsspeer. Sein Blick war auf den verängstigten Sachsen gerichtet, der zu seinen eigenen Göttern zu beten schien, doch die besaßen auf Caer Cadarn keine Macht.
    Owain bewegte sich gemessen. Sekundenlang nur nahm er den Blick von Wlencas Gesicht, nur eben so lange, bis er die Spitze seines Speers direkt auf die markierte Stelle auf dem Bauch des Sachsen gerichtet hatte; dann sah er dem Gefangenen wieder in die Augen. Beide Männer verhielten sich reglos. In Wlencas Augen standen Tränen, und mit einem winzigen Kopfschütteln flehte er stumm um Erbarmen. Owain jedoch ignorierte diese Geste und wartete, bis Wlenca wieder vollkommen stillhielt. Die Speerspitze wies jetzt direkt auf das Blutzeichen, und keiner der beiden Männer regte sich. Nur der Wind zerrte an ihren Haaren und blähte die feuchten Umhänge der Zuschauer.
    Owain stieß zu. Mit einem einzigen, kraftvollen Stoß trieb er den Speer tief in Wlencas Körper; dann zog er die Klinge wieder heraus und lief mit kurzen Schritten rückwärts, um den blutenden Sachsen im Königskreis allein zu lassen. Wlenca schrie. Es war eine gräßliche Wunde, absichtlich so gerissen, daß sie einen langsamen, schmerzvollen Tod herbeiführte, denn von den Todesqualen des Sterbenden konnten geübte Seher wie Balise oder Morgan die Zukunft des Reiches ablesen. Balise, aus seiner Teilnahmslosigkeit gerissen, sah zu, wie der Sachse, der sich mit einer Hand den Bauch hielt und sich vor grauenhaften Schmerzen krümmte, umhertaumelte. Nimue beugte sich eifrig vor, denn sie wurde zum erstenmal Zeugin dieser mächtigsten aller Weissagungen und wollte ihre Geheimnisse kennenlernen. Ich selbst zog, wie ich gestehen muß, eine angewiderte Grimasse, aber nicht aus Abscheu vor der Zeremonie, sondern weil ich Wlenca gern gehabt hatte und mir sein breites, blauäugiges Gesicht eine Vorstellung gegeben hatte, wie ich vermutlich selbst aussah. Ich tröstete mich mit dem Bewußtsein, daß er in der Anderwelt, aufgrund dieses Opfers, einen Platz unter den Kriegern erhalten würde, wo er und ich uns eines Tages wieder begegnen würden.
    Wlencas Schreie waren zu einem verzweifelten Keuchen geworden. Sein Gesicht war aschfahl; er zitterte, hielt sich aber irgendwie aufrecht und wankte nach Osten. Als er den Steinkreis erreichte, hatte es kurz den Anschein, als würde er zusammenbrechen; dann bäumte er sich unter einem gräßlichen Schmerzanfall auf und krümmte sich sofort wieder zusammen. Aus der Wunde spritzte Blut, als es in einem weiten Kreis herumwirbelte und ein paar Schritte nach Norden stolperte. Bis er - endlich - zusammenbrach. Er verkrampfte sich vor Qual, und jeder Krampf schien für Balise und Morgan eine Bedeutung zu haben. Morgan trat vor, um ihn aus der Nähe zu beobachten, während er bebte, zuckte und sich vor Schmerzen wand. Sekundenlang zitterten seine Beine; dann lösten sich seine Eingeweide, er warf den Kopf zurück, und ein rasselnder Laut entrang sich seiner Kehle. Ein dicker Blutstrahl ergoß sich fast bis vor Morgans Füße, und der Sachse starb.
    Irgend etwas an Morgans Haltung sagte uns, daß die Zeichen schlecht standen, und ihre finstere Stimmung teilte sich der Menge mit, die auf die gefürchtete Erklärung wartete. Morgan kehrte zu Balise zurück und beugte sich zu dem Alten hinab, der ein heiseres, respektloses Gekicher von sich gab. Nimue war hinübergegangen, um die Blutspur und anschließend den Leichnam zu untersuchen; dann gesellte sie sich zu Morgan und Balise, während die Zuschauer weiter warteten. Und warteten.
    Endlich kehrte Morgan zu dem Leichnam zurück. Sie richtete ihre Worte an Owain, den Champion des Königs, der neben dem Kindkönig stand, doch alle Zuschauer beugten sich gespannt vor, um sich ihre Worte nicht entgehen zu

Weitere Kostenlose Bücher