Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Cuneglas beschwichtigte sie mit erhobener Hand. »Unser Feind«, fuhr er fort, und sein Ton wurde auf einmal hart, »ist nicht Dumnonia. Unser Feind ist der Sachse!« Hier hielt er inne, und diesmal gab es kein mißbilligendes Grollen. Die Männer warteten stumm und beobachteten ihren neuen König, der im Grunde kein großer Krieger war, aber ein guter und aufrichtiger Mann. Diese Eigenschaften traten deutlich auf seinem runden, ehrlichen, jungen Gesicht zutage, dem er vergeblich Würde zu verleihen suchte, indem er sich einen langen, geflochtenen Schnauzbart hatte wachsen lassen, dessen Enden ihm bis auf die Brust herabhingen. Er mochte zwar kein Krieger sein, aber er war klug genug, um zu wissen, daß er diesen Kriegern die Gelegenheit zum Kampf bieten mußte, denn nur durch einen Krieg konnten sie Ruhm und Reichtum erlangen. Ratae, versicherte er ihnen, würde zurückerobert und die Sachsen für die Greueltaten bestraft werden, die sie an den Bewohnern der Festung verübt hatten. Lloegyr, das Verlorene Land, würde von den Sachsen zurückgefordert werden, und Powys, einstmals das mächtigste aller britannischen Königreiche, würde sich wieder von den Bergen bis zur Nordsee erstrecken. Die römischen Städte würden wieder aufgebaut, ihre Mauern ruhmreich wieder errichtet und ihre Straßen wieder hergestellt werden. Für jeden Krieger von Powys würde es Ackerland geben, reiche Beute und sächsische Sklaven. Hierauf klatschten sie alle Beifall, denn Cuneglas stellte seinen enttäuschten Häuptlingen den Lohn in Aussicht, den solche Männer stets von ihren Königen erwarteten. Aber, fuhr er fort, nachdem er die Hand erhoben hatte, um den Jubel zu dämpfen, der Reichtum von Lloegyr würde nicht von Powys allein beansprucht werden. »Jetzt«, gab er seinen Anhängern zu bedenken, »marschieren wir mit den Männern von Gwent und Seite an Seite mit den Speerkämpfern von Dumnonia. Sie waren die Feinde meines Vaters, nun aber sind sie meine Freunde, und aus diesem Grund ist auch Lord Derfel heute hier.« Er lächelte mir zu. »Und aus diesem Grund«, fuhr er fort, »wird sich meine Schwester beim nächsten Vollmond Lancelot anverloben. Sie wird als Königin in Siluria herrschen, und die Männer jenes Landes werden mit uns gemeinsam marschieren – mit uns und mit Arthur und Tewdric –, um das Land von den Sachsen zu befreien. Gemeinsam werden wir unseren wirklichen Feind besiegen. Gemeinsam werden wir die Sais vernichten!«
Diesmal war der Jubel uneingeschränkt. Er hatte sie für sich gewonnen. Er stellte ihnen den Wohlstand und die Macht des alten Britannien in Aussicht, also klatschten sie in die Hände und trampelten mit den Füßen, um ihre Zustimmung zu beweisen. Cuneglas blieb eine Weile still stehen und ließ sie jubeln; dann nahm er einfach wieder Platz und lächelte mir zu, als wisse er, daß Arthur allem, was er gesagt hatte, beistimmen würde.
Ich blieb nicht länger auf dem Dolforwyn, denn die Trinkerei würde die ganze Nacht hindurch dauern. Statt dessen kehrte ich hinter dem Ochsenkarren, der Königin Helledd, ihre beiden Tanten und Ceinwyn beförderte, zu Fuß nach Caer Sws zurück. Die königlichen Damen wollten vor Sonnenuntergang wieder in Caer Sws sein, und ich folgte ihnen – nicht etwa, weil ich mich bei Cuneglas’ Männern nicht willkommen fühlte, sondern weil ich bisher noch keine Gelegenheit gefunden hatte, mit Ceinwyn zu reden. Also gesellte ich mich wie ein mondsüchtiges Kalb zu der kleinen Truppe von
Speerkämpfern, die den Karren begleitete. Weil ich bei Ceinwyn Eindruck machen wollte, hatte ich mich an diesem Tag besonders sorgfältig gekleidet. Ich hatte mein Kettenhemd gereinigt, den Dreck von Stiefeln und Mantel gebürstet und meine langen, blonden Haare schließlich zu einem Zopf geflochten, der mir auf dem Rücken hing. Am Mantel trug ich zum Zeichen meiner Treue die Brosche, die sie mir geschenkt hatte.
Ich dachte, sie würde mich nicht beachten, denn während des ganzen langen Rückmarsches nach Caer Sws saß sie im Karren und blickte von mir fort; zuletzt aber, als die Straße um eine Biegung führte und die Festung in Sicht kam, wandte sie sich um und sprang vom Wagen, um am Wegrand auf mich zu warten. Die Speerkämpfereskorte trat beiseite, damit ich neben ihr gehen konnte. Als sie die Brosche sah, lächelte sie, machte aber keinerlei Anspielung darauf. »Wir haben uns gefragt, Lord Derfel«, sagte sie statt dessen, »was Euch hierhergeführt haben mag.«
»Arthurs
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