Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Uthers ältester, noch lebender leiblicher Sohn. Eigentlich müßte er König sein.«
Das müßte er, dachte ich, aber wir alle hatten geschworen, Mordred auf den Thron zu setzen, und im Lugg Vale waren Männer für diesen Eid gestorben. Mögen die Götter mir verzeihen, aber zuweilen wünschte ich, Mordred würde sterben und das Problem auf diese Art lösen; doch, abgesehen von seinem Klumpfuß und den schlechten Zeichen bei seiner Geburt, schien er sich einer bärenstarken Gesundheit zu erfreuen. Ich blickte in Guineveres grüne Augen. »Ich erinnere mich, Lady«, begann ich vorsichtig, »daß Ihr mich vor Jahren durch jene Tür dort« – ich zeigte auf einen niedrigen Durchlaß, der von den Arkaden ausging – »geführt und mir Euren Isistempel gezeigt habt.«
»Habe ich das? Na und?« Sie sagte es abwehrend. Möglicherweise bedauerte sie den damaligen Moment der Intimität. An jenem fernen Tag hatte sie versucht, mich zu ihrem Verbündeten in ebenjener Sache zu machen, die sie jetzt veranlaßt hatte, meinen Arm zu ergreifen und mit mir unter den Arkaden zu wandeln. Sie wollte, daß Mordred vernichtet wurde, damit ihr Gemahl Arthur regieren konnte.
»Ihr habt mir den Thron der Isis gezeigt«, fuhr ich fort, ohne zu erwähnen, daß ich den schwarzen Sitz im Seepalast wiedergesehen hatte, »und mir erklärt, daß Isis die Göttin sei, die darüber bestimmen kann, welcher Mann auf dem Thron eines Königreichs sitzen dürfe. War es nicht so?«
»Das liegt in ihrer Macht, ja«, antwortete Guinevere obenhin.
»Dann müßt Ihr zu der Göttin beten, Lady«, erklärte ich.
»Glaubt Ihr, das täte ich nicht, Derfel?« fragte sie mich.
»Glaubt Ihr, ich hätte ihr nicht schon ständig mit meinen Gebeten in den Ohren gelegen? Ich will, daß Arthur König wird und daß unser Sohn Gwydre nach ihm König wird. Aber man kann einen Mann nicht auf den Thron zwingen. Bevor mir Isis diesen Wunsch erfüllt, muß Arthur selbst es wünschen.«
Das hielt ich für eine schwache Verteidigung. Wenn Isis Arthur nicht zu überzeugen vermochte, wie sollten wir armen Sterblichen das schaffen? Versucht hatten wir es oft genug, doch Arthur weigerte sich strikt, über dieses Thema zu diskutieren. Genau wie Guinevere unser Gespräch unter den Arkaden beendete, sobald ihr klar wurde, daß sie mich für ihr Vorhaben, Mordred durch Arthur zu ersetzen, nie und nimmer gewinnen konnte.
Ich wünschte mir Arthur zwar als König, aber in all den Jahren hatte ich seine verbindlich vorgetragenen Versicherungen nur ein einziges Mal durchbrechen können, um ernsthaft mit ihm über seinen Anspruch auf den Königsthron zu sprechen, und dieses Gespräch fand ganze fünf Jahre nach dem Tafelrundeneid statt. Es war im Sommer vor dem Jahr, in dem Mordred zum König ausgerufen werden sollte, und das feindselige Gewisper war inzwischen zum ohrenbetäubenden Gebrüll angeschwollen. Nur die Christen unterstützten noch Mordreds Anspruch, aber selbst sie taten es nur zögernd. Da aber bekannt war, daß seine Mutter Christin gewesen und das Kind selbst ebenfalls getauft worden war, genügte das, die Christen glauben zu lassen, Mordred werde ihren Ambitionen ein geneigtes Ohr leihen. Alle anderen in Dumnonia setzten ihre Hoffnung darauf, daß Arthur sie vor dem Knaben rettete, doch Arthur ignorierte sie gelassen. Jener Sommer –
inzwischen haben wir gelernt, die Sonnenzyklen zu zählen, es war 495 Jahre nach Christi Geburt – war wunderschön und sonnenwarm. Arthur stand auf dem Höhepunkt seiner Macht, Merlin sonnte sich in unserem Garten, während meine drei kleinen Töchter ihm ständig neue Geschichten abverlangten, Ceinwyn war glücklich, Guinevere vergnügte sich in ihrem bezaubernden neuen Seepalast mit seinen Arkaden, Galerien und dem finsteren, verborgenen Isistempel, Lancelot schien in seinem Königreich am Meer glücklich zu sein, die Sachsen bekämpften sich gegenseitig, und in Dumnonia herrschte Frieden. Aber es war auch, wie ich mich erinnere, ein Sommer voll unendlichem Leid.
Denn es war der Sommer von Tristan und Iseult.
Kernow ist das wilde Königreich, das sich wie eine Klaue um Dumnonias Westspitze legt. Die Römer kamen zwar dorthin, aber nur wenige ließen sich in dieser Wildnis nieder, und als die Römer Britannien verließen, lebten die Menschen von Kernow einfach so weiter, als hätte es die Eindringlinge niemals gegeben. Sie pflügten ihre kleinen Felder, fischten in rauher See und förderten das kostbare Zinn. Nach Kernow reisen,
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