Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
nach dem Tafelrundeneid ergriff sie meinen Arm und schlenderte mit mir durch Durnovarias Arkaden, wo die Luft vom Rauch der Kräuter vernebelt war, die in Kohlepfannen verbrannt wurden, um zu verhindern, daß
die Seuche wiederkehrte. Möglicherweise war es der Rauch, der mir zu Kopf stieg, aber vielleicht war es auch Guineveres Nähe. Sie trug ein sehr starkes Parfüm, ihr rotes Haar war voll und wild, ihr Körper kerzengerade und schlank und ihr Gesicht fein geschnitten und voller Lebenslust. Ich sprach ihr mein Beileid zum Tod ihres Vaters aus. »Armer Vater«, sagte sie.
»Er träumte immer davon, nach Henis Wyren
zurückzukehren.« Sie hielt inne, und ich fragte mich, ob sie Arthur Vorwürfe gemacht hatte, weil er sich nicht größere Mühe gegeben hatte, Diwrnach zu vertreiben. Ich bezweifelte, daß Guinevere sich nach Henis Wyrens wilder Küste sehnte, ihr Vater aber hatte stets ins Land seiner Ahnen zurückkehren wollen. »Ihr habt mir nie von Eurer Reise nach Henis Wyren erzählt«, beschwerte sich Guinevere. »Wie ich hörte, habt Ihr dort Diwrnach kennengelernt?«
»Und ich hoffe, ihm nie wieder begegnen zu müssen, Lady.«
Sie zuckte die Achseln. »Manchmal kann es einem König nützlich sein, im Ruf des Barbarentums zu stehen.« Sie fragte mich über die Zustände in Henis Wyren aus, aber ich spürte, daß sie meine Antworten nicht wirklich interessierten –
genausowenig wie die Antwort auf ihre Frage, wie Ceinwyn sich befinde.
»Sie befindet sich wohl, Lady«, antwortete ich. »Danke.«
»Ist sie wieder schwanger?« erkundigte sie sich ein wenig belustigt.
»Wir vermuten es, Lady.«
»Wie fleißig ihr beiden doch seid, Derfel!« sagte sie mit freundschaftlichem Spott. Ihr Ärger über Ceinwyn hatte sich im Laufe der Jahre gelegt, aber Freundinnen waren sie nie geworden. Guinevere pflückte ein Blatt von einem Lorbeerbaum, der in einer mit nackten Nymphen verzierten römischen Vase wuchs, und rieb das Blatt zwischen den Fingern. »Und wie geht’s unserem Lord König?« fragte sie säuerlich.
»Er ist schwierig, Lady.«
»Taugt er zum König?« Das war charakteristisch für Guinevere: eine offene Frage, brutal und ehrlich.
»Er wurde dazu geboren, Lady«, gab ich abwehrend zurück,
»und wir sind durch einen Eid gebunden.«
Sie stieß ein verächtliches Lachen aus. Ihre goldverzierten Sandalen klapperten auf den Steinplatten, an ihrem Hals klirrte eine Goldkette mit Perlen. »Vor vielen Jahren, Derfel«, sagte sie, »haben wir beiden, Ihr und ich, über ebendieses Thema gesprochen, und Ihr habt mir erklärt, daß von allen Männern Dumnonias Arthur am besten zum König geeignet sei.«
»Das sagte ich«, räumte ich ein.
»Und jetzt findet Ihr, daß Mordred noch geeigneter ist?«
»Nein, Lady.«
»Und?« Sie wandte sich um und sah mich an. Nur wenige Frauen können mir direkt in die Augen sehen, sie aber konnte es ohne Mühe. »Und?« wiederholte sie.
»Und ich habe einen Eid geleistet, Lady. Genau wie Euer Gemahl.«
»Eid!« fauchte sie und ließ meinen Arm los. »Arthur hat einen Eid geleistet, Aelle zu töten, aber Aelle lebt immer noch. Er hat einen Eid geleistet, Henis Wyren zurückzuerobern, aber Diwrnach regiert dort immer noch. Eid! Ihr Männer versteckt euch hinter euren Eiden wie Dienstboten hinter ihrer Dummheit – aber kaum wird euch ein Eid unbequem, da habt ihr ihn bereits vergessen. Meint Ihr, der Eid, den Ihr Uther geleistet habt, könnte nicht ebenfalls vergessen werden?«
»Mein Eid gilt Prinz Arthur«, berichtigte ich sie, darauf bedacht, Arthur, wie immer vor Guinevere, mit Prinz zu betiteln. »Wünscht Ihr, daß ich diesen Eid vergesse?« fragte ich sie.
»Ich wünsche, daß Ihr ihn zur Vernunft bringt, Derfel«, entgegnete sie. »Er hört auf Euch.«
»Er hört auf Euch, Lady.«
»Nicht, wenn es um Mordred geht«, widersprach sie. »In allen anderen Dingen – mag sein. Doch darin nicht.« Sie erschauerte, vielleicht, weil sie sich daran erinnerte, wie sie Mordred im Seepalast umarmen mußte. Dann zerdrückte sie das Lorbeerblatt zornig in ihrer Hand und warf es achtlos auf die Steinplatten. Innerhalb weniger Minuten würde eine Dienerin herbeieilen und es schweigend entfernen. In Durnovarias Winterpalast herrschte stets peinliche Ordnung, während in unserem Palast in Lindinis so viele Kinder herumwimmelten, daß es einfach unmöglich war, Ordnung zu halten, und Mordreds Flügel war ein einziger Misthaufen.
»Arthur«, betonte Guinevere jetzt müde, »ist
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