Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Blick auf das Schwert an seiner Seite, eins der dreizehn Kleinodien, sagte aber kein Wort, weil ich Merlin versprochen hatte, Arthur nichts von Excaliburs wahrer Macht zu verraten. »Meint Ihr, daß Merlin seinen Turm selbst in Brand gesteckt hat?« fragte ich ihn statt dessen.
»Ich habe daran gedacht«, räumte er ein.
»Nein«, versicherte ich vehement, »er hat geglaubt. Und manchmal denke ich, wagt er zu glauben, daß er die Kleinodien noch in diesem Leben wiederfinden wird.«
»Dann sollte er sich beeilen«, sagte Arthur scharf, »denn viel Zeit bleibt ihm nicht mehr.«
Diese Nacht verbrachten wir im alten römischen
Gouverneurspalast von Isca, wo Culhwch jetzt lebte. Er war düsterer Laune – nicht etwa wegen Tristan, sondern weil die Stadt eine Brutstätte christlicher Fanatiker war. Erst eine Woche zuvor war eine Bande jugendlicher Christen in die Heidentempel der Stadt eingedrungen, hatte die Götterstatuen umgestürzt und die Wände mit Exkrementen beschmiert. Culhwchs Speerkämpfer hatten einige der Tempelschänder gefaßt und in den Kerker geworfen, aber Culhwch machte sich Sorgen um die Zukunft. »Wenn wir diese Bastarde jetzt nicht niederschlagen«, warnte er, »werden sie für ihren Gott sogar in den Krieg ziehen.«
»Unsinn«, entgegnete Arthur wegwerfend.
Culhwch schüttelte den Kopf. »Sie wollen einen christlichen König, Arthur.«
»Nächstes Jahr werden sie Mordred haben«, gab Arthur zurück.
»Ist der ein Christ?« erkundigte sich Culhwch.
»Wenn er überhaupt etwas ist«, sagte ich.
»Aber ihn wollen sie nicht«, wandte Culhwch
niedergeschlagen ein.
»Wen dann?« Endlich zeigte sich Arthur an den Warnungen seines Cousins interessiert.
Culhwch zögerte und zuckte dann die Achseln. »Lancelot.«
»Lancelot!« Arthur schien belustigt zu sein. »Wissen sie denn nicht, daß der seine Heidentempel offenhält?«
»Sie wissen überhaupt nichts über ihn«, antwortete Culhwch,
»aber das brauchen sie auch nicht. Sie sehen ihn so, wie die Menschen in Uthers letzten Lebensjahren Euch gesehen haben. Sie halten ihn für ihren Befreier.«
»Befreier – wovon?« fragte ich verächtlich.
»Von uns Heiden natürlich«, sagte Culhwch. »Sie bestehen darauf, daß Lancelot der christliche König ist, der sie alle in den Himmel führen wird. Und wißt Ihr, warum? Wegen dieses Seeadlers auf seinem Schild. Er hält einen Fisch in den Klauen, erinnert Ihr Euch? Und der Fisch ist das Symbol der Christen.«
Angewidert spie er aus. »Über ihn wissen sie nichts«, fuhr er dann fort, »aber sie sehen den Fisch und halten ihn für ein Zeichen ihres Gottes.«
»Ein Fisch?« Arthur glaubte Culhwch offensichtlich kein Wort.
»Ein Fisch«, bestätigte Culhwch. »Vielleicht beten sie eine Forelle an. Was weiß ich? Bis jetzt verehren sie bereits einen heiligen Geist, eine Jungfrau und einen Zimmermann. Warum also nicht auch einen Fisch? Die sind doch alle zusammen verrückt.«
»Nicht verrückt«, berichtigte Arthur, »höchstens etwas erregt.«
»Etwas erregt? Habt Ihr in jüngster Zeit mal an ihren Ritualen teilgenommen?« fragte Culhwch seinen Cousin.
»Nicht seit Morgans Vermählung.«
»Dann kommt mit und seht es Euch an«, sagte Culhwch. Es war inzwischen dunkel geworden, und wir hatten die Abendmahlzeit beendet; aber Culhwch bestand darauf, daß wir uns dunkle Umhänge überwarfen und ihm durch eine Seitentür des Palastes ins Freie folgten. Durch eine finstere Gasse kamen wir zu dem Forum, wo die Christen ihre Kirche in einem alten römischen Tempel eingerichtet hatten, der einst Apoll gedient hatte, nun aber vom Heidentum gereinigt, frisch getüncht und dem Christentum geweiht worden war. Wir traten durch die Westtür ein und suchten uns eine dunkle Nische, in der wir, die dichtgedrängte Menge der Andächtigen imitierend, niederknieten.
Wie Culhwch uns erklärte, beteten die Christen hier jeden Abend, und auf die Gabe von Brot und Wein, die der Priester unter den Gläubigen verteilte, folgte allabendlich der gleiche Wahnsinn. Brot und Wein besäßen für sie magische Kräfte, erklärte er, und seien angeblich Blut und Fleisch ihres Gottes. Also beobachteten wir, wie sich die Gläubigen um den Altar drängten, um ihren Anteil zu ergattern. Mindestens die Hälfte der Gläubigen waren Frauen, und nachdem sie von den Priestern das Brot entgegengenommen hatten, steigerten sich diese Frauen in Ekstase. Ich hatte diese seltsame Inbrunst schon oft erlebt, denn Merlins alte Heidenriten endeten
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