Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Horn in sich hinein.
»König Mark verlangt, daß die beiden zurückkommen.«
Arthur antwortete nicht, sondern trommelte mit den Fingern auf der Tischkante. Cyllan schlang noch mehr Brot und Käse in sich hinein und schenkte sich noch einmal Wein ein. »Schlimm genug«, sagte er nach einem ausgiebigen Rülpser, »daß der Edling mit seiner Stiefmutter« – er hielt inne, warf Guinevere einen Blick zu und veränderte seinen Satz – »zusammen ist.«
Guinevere übernahm es, das Wort auszusprechen, das Cyllan in ihrer Gegenwart nicht auszusprechen wagte. Er nickte, errötete und fuhr dann fort: »Das ist nicht gut, Lady. Nicht mit der eigenen Stiefmutter. Aber er hat seinem Vater auch die Hälfte des Kronschatzes gestohlen. Zwei Eide hat der Edling gebrochen, Lord. Den Eid, den er seinem königlichen Vater geschworen hat. Und den Eid, den er seiner Königin geschworen hat. Und nun hören wir, daß man ihm in Isca Zuflucht gewährt.«
»Ich habe gehört, daß der Prinz in Dumnonia ist«, sagte Arthur ruhig.
»Und mein König will, daß er zurückkommt. Daß sie beide zurückkommen.« Nachdem Cyllan seine Botschaft an den Mann gebracht hatte, widmete er sich wiederum dem Käse. Der Kronrat versammelte sich von neuem, während Cyllan sich die Zeit im warmen Sonnenschein vertrieb. Die drei Kandidaten für das Richteramt wurden angewiesen, ein wenig zu warten, das vertrackte Problem von Sansums großer Kirche wurde ad acta gelegt, und wir besprachen Arthurs Antwort an König Mark.
»Tristan«, sagte ich, »war schon immer ein Freund unseres Landes. Als niemand für uns kämpfen wollte, war er zur Stelle. Er ist mit seinen Männern ins Lugg Vale gekommen. Er war mit uns in London. Er hat unsere Hilfe verdient.«
»Er hat Eide gebrochen, die er einem König geleistet hat«, wandte Arthur besorgt ein.
»Heidnische Eide«, verkündete Sansum, als könnte das Tristans Vergehen abschwächen.
»Aber er hat Geld gestohlen«, sagte Bischof Emrys darauf.
»Von dem er hofft, daß es ihm schon bald rechtmäßig gehören wird«, gab ich zur Verteidigung meines alten Schlachtgefährten zurück.
»Und genau das ist es, was König Mark Sorge macht«, entgegnete Arthur. »Versetzt Euch in seine Lage, Derfel. Was würdet Ihr am meisten fürchten?«
»Einen Mangel an Prinzessinnen?« antwortete ich fragend. Arthur quittierte meine Leichtfertigkeit mit einem Stirnrunzeln. »Er fürchtet, daß Tristan mit Speerkämpfern nach Kernow zurückkehrt. Er fürchtet den Bürgerkrieg. Er fürchtet, daß sein Sohn genug davon hat, auf seinen Tod zu warten, und er tut recht daran, sich davor zu fürchten.«
Ich schüttelte den Kopf. »Tristan ist nicht berechnend, Lord«, sagte ich. »Er handelt impulsiv. Er hat sich Hals über Kopf in die junge Frau seines Vaters verliebt. An den Thron verschwendet er keinen Gedanken.«
»Noch nicht«, entgegnete Arthur düster, »aber bald.«
»Wenn wir nun Tristan Zuflucht gewähren – was wird König Mark dann tun?« fragte Sansum schlau.
»Überfälle inszenieren«, antwortete Arthur. »Bauernhöfe verbrennen, Vieh stehlen. Oder er schickt seine Speerkämpfer aus, damit sie Tristan lebend fangen. Seinen Bootsfahrern könnte das durchaus gelingen.« Die Männer von Kernow waren die einzigen erfahrenen Seeleute von allen britannischen Königreichen, und die Sachsen hatten bei ihren ersten Überfällen die Langboote von Marks Speerkämpfern fürchten gelernt. »Es wird ständigen, niemals endenden Ärger geben«, gab Arthur zurück. »Jeden Monat ein Dutzend tote Bauern und Bäuerinnen. Bis alles erledigt ist, werden wir hundert Speerkämpfer an die Grenze schicken müssen.«
»Kostspielig«, warf Sansum ein.
»Viel zu kostspielig«, bestätigte Arthur grimmig.
»Sein Geld muß König Mark auf jeden Fall zurückerhalten«, mahnte Emrys.
»Mitsamt der Königin, vermutlich«, warf Cythryn ein, einer der Richter, die Mitglied des Kronrats waren. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß König Marks Stolz diese Demütigung ungeahndet hinnimmt.«
»Und was wird aus dem Mädchen, wenn sie zu ihm
zurückgeschickt wird?« fragte Emrys.
»Das«, entgegnete Arthur energisch, »ist einzig und allein König Marks Entscheidung. Nicht die unsere.« Mit beiden Händen rieb er sich das lange, knochige Gesicht. »Ich nehme an«, sagte er müde, »daß wir in dieser Angelegenheit vermitteln sollten.« Er lächelte. »Es ist lange her, daß ich mich in jenen Teil der Welt begeben habe. Vielleicht ist es an der Zeit,
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