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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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jemals gesehen habe: Sanfte Hügel wurden von Bächen und dichten Wäldern durchschnitten, wasserreiche Flüsse strömten dem Meer entgegen, und hohe Klippen hallten vom Geschrei der Vögel wider. Ein wilder Ort, aber schön; ein Ort, der wie geschaffen war für die blinde Raserei der Liebe.
    Und dort, in der kleinen, dunklen Halle mitten in den tiefen, grünen Wäldern, begegnete ich Iseult.
    Klein, dunkel, zierlich und zerbrechlich, so habe ich Iseult in Erinnerung. Eigentlich war sie kaum mehr als ein Kind, obwohl man sie durch ihre Vermählung mit Mark in den Status einer erwachsenen Frau hineingezwungen hatte. Mir jedenfalls erschien sie wie ein scheues, kleines, mageres Mädchen, ein schmächtiges Wesen kurz vor dem Erwachsenwerden, das den Blick seiner riesigen, dunklen Augen nicht von Tristan wandte, bis er sie aufforderte, uns zu begrüßen. Sie verneigte sich vor Arthur. »Ihr dürft Euch nicht vor mir verneigen«, sagte Arthur, indem er sie sanft emporhob, »denn Ihr seid eine Königin.«
    Damit sank er auf ein Knie nieder und küßte ihre kleine Hand. Ihre Stimme klang wispernd wie eine Schattenstimme. Sie hatte versucht, sich älter zu machen, indem sie ihre schwarzen Haare zu einer hohen Krone aufgesteckt und sich überall mit Juwelen behängt hatte; aber sie trug den Schmuck ungeschickt und erinnerte mich damit an Morwenna, wenn sie sich mit den Gewändern ihrer Mutter verkleidete. Sie musterte uns ängstlich. Ich glaube, Iseult wußte noch vor Tristan, daß dieser Aufmarsch bewaffneter Speerkämpfer kein zwangloser Besuch von Freunden war, sondern die Ankunft ihrer Richter. Diesen Zufluchtsort hatte Culhwch den Liebenden zur Verfügung gestellt. Es war eine aus Holz errichtete Halle mit Roggenstrohdach, nicht groß, aber solide gebaut, und gehörte einem Häuptling, der Cadwys Aufstand unterstützt und dabei den Kopf verloren hatte. Die Halle, zu der noch drei Hütten und ein Speicher gehörten, war von einer Palisade umgeben und stand in einer waldigen Senke, wo die Seewinde das Dachstroh nicht zerzausen konnten. Dorthin hatten sich Tristan und Iseult mit sechs getreuen Speerkämpfern und einem Berg gestohlener Schätze zurückgezogen, um aus ihrer Liebe einen großen Gesang zu machen.
    Arthur riß die Noten zu ihrem Lied in Fetzen. »Der Schatz«, erklärte er Tristan noch am selben Abend, »muß Eurem Vater zurückgegeben werden.«
    »Den kann er haben, Lord!« entgegnete Tristan. »Ich hab’
    ihn nur mitgebracht, damit ich Eure Wohltätigkeit nicht in Anspruch nehmen muß.«
    »Solange Ihr Euch in diesem Land aufhaltet, Lord Prinz«, sagte Arthur nachdrücklich, »werdet Ihr unsere Gäste sein.«
    »Und wie lange wird das sein, Lord?« erkundigte sich Tristan.
    Arthur krauste die Stirn und richtete den Blick ins dunkle Dachgebälk der Halle. »Ist das Regen? Mir scheint es lange her zu sein, daß es geregnet hat.«
    Tristan wiederholte seine Frage, und wieder verweigerte Arthur die Antwort. Iseult griff nach der Hand ihres Prinzen, während Tristan Arthur an Lugg Vale erinnerte. »Als niemand sonst Euch zu Hilfe kommen wollte, Lord, bin ich gekommen«, sagte er.
    »Das seid Ihr, Lord Prinz«, räumte Arthur ein.
    »Und als Ihr mit Owain kämpfen mußtet, Lord, habe ich Euch da nicht beigestanden?«
    »Das habt Ihr«, bekannte Arthur.
    »Und ich bin mit meinen Falkenschilden nach London gekommen.«
    »Das seid Ihr, Lord Prinz, und habt dort wohl gekämpft.«
    »Und ich habe Euren Tafelrundeneid geschworen«, fuhr Tristan fort. Inzwischen benutzte niemand mehr die Bezeichnung Bruderschaft von Britannien.
    »Das habt Ihr, Lord«, bestätigte Arthur.
    »Und habe ich mir, Lord«, sagte Tristan bittend, »dadurch nicht Eure Hilfe verdient?«
    »Ihr habt sehr viel verdient, Lord Prinz«, gab Arthur zurück,
    »und ich habe es nicht vergessen.« Das war eine ausweichende Antwort, aber die einzige, die Tristan an jenem Abend erhielt. Wir ließen die Liebenden in der Halle zurück und machten uns selbst in einem der kleinen Vorratshäuser ein Schlaflager aus Stroh. Der Regen zog in der Nacht vorüber, so daß der folgende Morgen warm und schön heraufdämmerte. Ich erwachte ziemlich spät und entdeckte, daß Tristan und Iseult die Halle bereits verlassen hatten. »Wenn sie auch nur einen Funken Verstand haben«, vertraute mir Culhwch finster an,
    »sind sie so schnell und so weit gerannt, wie sie konnten.«
    »Und – haben sie das?«
    »Sie haben keinen Verstand, Derfel, sie lieben sich. Also glauben sie,

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